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Fachtag Inklusion mit „Experten in eigener Sache“

„Behindert ist man nicht, behindert wird man!“ Wie behindert ist dann die Inklusion und wo wird sie behindert? Gemeinsam mit Betroffenen, Multiplikatoren und Fachleuten suchte ein Veranstaltungsteam (bestehend aus dem Schulreferat der Evangelischen Kirchenkreise Altenkirchen und Wied, der Evangelischen Landjugendakademie, dem Beauftragten für die Inklusion im Kirchenkreis Altenkirchen, dem HIBA e.V in Wissen, der Verein für Behindertenarbeit in Hachenburg und „Der Paritätische Rheinland-Pfalz/Saar“) nach Antworten.

Wichtig war allen Beteiligten, dass auch und eben diejenigen, um die es geht, die Menschen mit Behinderungen, dabei selbst zu Wort kommen und über ihren konkreten Alltag. Grundidee des Bildungstages, der ganz gezielt ein breites Feld aller aktiven Kräfte und Beteiligten in Sachen Inklusion zusammen- und ins Gespräch miteinander brachte: Kommunalpolitiker, Schulleitungen von Schwerpunkt- und Förderschulen, Mitarbeiter in den Verwaltungen, Dienste, die Schulbegleiter stellen oder Hilfen im Übergang von der Schule in den Beruf anbieten, Mitarbeiter in Wohneinrichtungen und anderen stationären und teilstationären Einrichtungen, Schulsozialarbeiter und Schulpfarrer.

 

Veranstaltungsteam

Gemeinsam veranstalteten und leiteten sie den Fachtag in Altenkirchen: (v.l.): Schulreferent Martin Autschbach (Kirchenkreis), Moderator Rainer Schmidt, Christof Weller(HIBA), Anke Kreutz (LJA), Winfried Weber (Verein für Behindertenarbeit Hachenburg) und Matthias Rösch (Landesbeauftragter für die Belange behinderter Menschen. Alle Fotos: Petra Stroh

100 Menschen diskutierten mit

Rund 100 Menschen aus der Region trafen dann auch bei dem „bunten Fachtag“ mit Impulsen, Fachvortrag, praktischem Austausch und viel Lachen in der Altenkirchener Landjugendakademie zusammen. Sie zeigten Mängel auf und bauten Kommunikationsbrücken.

Dass es auf dem Weg der Umsetzung der Inklusion stockt – er war engagiert von vielen Akteuren seit 2011 (Einführung der UN-Konvention) beschritten worden – konnten diejenigen am besten darlegen, die es tagtäglich berührt. Ob Kindergarten, Schule, Beruf, Freizeit, im Wohnbereich oder in Sachen Mobilität.

Rainer Schmidt: „Arm ab, aber nicht arm dran“, Theologe, Comedian und ehemaliger Spitzensportler, kennt aus seinem eigenen Erfahrungsbereich nur zu gut die „Stolpersteine“, die Menschen mit Beeinträchtigungen in den Weg gelegt werden. Nicht nur abgesperrte Toilettentüren, die mangels Fingerfertigkeiten einfach nicht zu öffnen sind, zwingen ihn zu zeitraubenden „Umwegen“. Aber oft – so wurde es in seiner kenntnisreichen, aber herrlich launigen und humorvollen Moderation des Fachtages ziemlich deutlich – seien die Hindernisse in den Köpfen das Haupthindernis auf dem Weg in eine gelingende Inklusion. Starre Regelungen in verschiedensten Lebensbereichen blockierten gute Umsetzungswege. Für Abhilfe brauche es einen extrem langen Atem. Energie, die Menschen, die ohnehin mehr Kraft in den Alltag investieren müssten, oftmals nicht überhätten. Ganz praktische Erfahrungen über Hemmnisse in der Region schilderten Betroffene. Manchmal stoppt nur ein defekter Aufzug die Mobilität, dann wieder ist es ein „Zuständigkeitswirrwarr“, der Berufswünsche platzen lässt. Eine Gruppe der „Lebenshilfe“ aus Steckenstein gab dem Plenum eindrucksvolle Einblicke in ihren „behinderten Alltag“.

„Gesamtgesellschaftliche Diskussion führen“

„Details werden besprochen, aber es fehlt immer noch an einer gesamt-gesellschaftlichen Diskussion“ Michael Hamm, Landesgeschäftsführer des „Paritätischen“ mahnte zum Umdenken und zum Mehreinsatz an Ressourcen (Zeit, Geld und Engagement), damit Inklusion gelingen kann. Er versteht sich ebenso als „Lobbyist“ für die Belange beeinträchtigter Menschen wie Matthias Rösch, Landesbeauftragter für die Belange behinderter Menschen. Rösch „unsere Welt ist Barriere-gefüllt“ freute sich, dass mit dem Fachtag in Altenkirchen die Inklusion kritisch begleitet werde, aber auch aufgezeigt werde, wo es Hilfe und Unterstützung gibt. Rösch, der sich nach der Mittagspause auf den Weg nach Mainz machen musste um sich dort zum Bundesteilhabegesetz einzubringen, konnte dazu aus dem Altenkirchener Plenum gleich allerhand Bedenkenswertes mitnehmen.

Der zweite stellvertretende Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises, Pfarrer Thomas Rössler-Schaake (Flammersfeld) machte in seinem Grußwort, deutlich, dass er „gelebte Inklusion“, aus seiner Kirchengemeinde kennt, aber auch um die manchmal selbstgebauten Hemmnisse weiß, etwa wenn es um „leichte Sprache“ und gelingende Kommunikation geht.

„Alternative Wohnformen fehlen“

Hier sah sich auch Prof. Dr. päd. Erik Weber von der Ev. Hochschule in Darmstadt, als Impulsgeber bei seinem Fachvortrag „Behinderte Inklusion“ herausgefordert. Seine Rede gab es deshalb auch zum Mitlesen in „leichter Sprache“. So wurden deren Kernaussagen, etwa, dass es in Zeiten von wirtschaftlichen Krisen immer lauter werdende Kritik „Für Behinderte wird zu viel Aufwand betrieben“ gibt. „Das Unbehagen in der deutschen Gesellschaft gegen Vielfalt wächst“, belegte der Wissenschaftler anhand von Umfrageergebnissen und zitierte aus einem Ausschuss, der den nationalen Bericht zur UN-Behindertenkonvention auswerte: „Wir sind besorgt, dass es in Deutschland einen hohen Grad der Institutionalisierung und einen Mangel an alternativen Wohnformen für behinderte Menschen gibt!“

„Wir werden dringend aufgefordert mehr Engagement und Geld einzusetzen“, stellte Weber klar und forderte alle gesellschaftlichen Gruppen auf die Bemühungen der Behinderten-Organisationen tatkräftig zu unterstützen. „Diese fühlen sich etwa in Fragen der Stadtplanung oft ziemlich alleingelassen!“

„Wir brauchen ein Inklusives-Gemeinwesen und ein Inklusives-Hilfesystem“, appellierte Weber.

Direktkontakt an sieben Stationen

An sieben Stationen – Themen dabei: Öffentlicher Personenverkehr, Gestaltung von Eingliederungshilfen, zur Angebotspalette von ambulanten Hilfsdiensten, selbstbestimmtes Wohnen, heimische Schul- und Kindertagesstätten, der Übergangssituation von Schule zu Beruf aber auch zur selbstbestimmten Freizeitgestaltung – boten die heimischen Akteure (darunter verschiedene Dienststellen der Kreisverwaltung, Bürgermeister Fred Jüngerich für die kommunalen KITA, Hilfsdienste, Diakonie und Caritas) – vielfältige Austauschrunden an. „So wurden Gesprächsbrücken für beeinträchtigte Menschen, aber auch untereinander gebaut“, freute sich Anke Kreutz, Direktorin der gastgebenden Landjugendakademie.

Inklusionsbeirat auf Kreisebene?

„In den Köpfen der Menschen, die nicht betroffen und für die Belange beeinträchtigter Menschen engagiert sind, muss noch viel passieren“, war ein Fazit der Plenumsrunde. Dort keimte auch die Idee eines „trägerübergreifenden Inklusionsbeirates“ auf Kreisebene, auf, der u.a. von den beiden „Mehrgenerationenhäusern“ als „Austauschort mit Impulsen Betroffener“ unterstützt werden könnte. Auch die Idee eines „kreisweiten Pools für Sozialassistenten“ wurde aufgeworfen.

Hans-Joachim Schwan, Leiter der Sozialabteilung des Kreises und engagiert beim Fachtag im Einsatz, unterstrich die Bemühungen und die Bereitschaft um mehr Vernetzung und Miteinander, die dringend geboten seien. Kritisch merkte er allerdings an, dass man vor Gründung eines Inklusionsbeirates oder der Aufstellung eines regionalen Teilhabe-Plans sehr genau hinschauen müsste, was dies bringe. „Es dient keinem, wenn die Kreis-Ebene gar nicht entscheidungsberechtigt ist. „Es wäre für alle Akteure nur frustrierend!“

Eine Dokumentation des Fachtages wird von der Landjugendakademie und dem Veranstalter-Team zusammengestellt, gebündelte Kommunikationsstränge sollen ausgebaut werden. Und man will sich gemeinsam weiter bewegen um der Inklusion „ihre Behinderungen zu nehmen“ – so das Fazit des Fachtages, der dank Rainer Schmidts rheinisch-fröhlicher Moderation nicht nur viele Impulse setzte, sondern auch deutlich machte, dass es Behinderten und vermeintlich Nicht-Behinderten gut tat miteinander und auch übereinander zu lachen. PES

 

Matthias Rösch

Prof. Erik Weber

Moderator Rainer Schmidt

Volles Haus beim Fachtag in Altenkirchen. Mit dabei auch: Doris Krapp, Vorsitzende des synodalen Fachausschusses für die Arbeit mit Behinderten und ihre Familien und Michael Hamm, Landesgeschäftsführer des Paritätischen in RLP/Saarland.

 

 

Die „Fachleute in eigener Sache“ interviewte Rainer Schmidt. Menschen mit verschiedensten Behinderungen erzählten aus ihrem Lebensalltag und vor allem auch davon, was oder wer sie behindert.

An der „Station Freizeit“ wurde sich ausgetauscht. Nicht immer passen Angebot und Nachfrage beieinander und bei so mancher Freizeitaktivität scheitert es auch an der Möglichkeit diese zu erreichen.

Die „Station Verkehr“ machte auf ein großflächiges Angebot an öffentlichem Verkehr aufmerksam. Doch nicht alle Orten sind immer zu passenden Zeiten erreichbar.