Kreissynode in Betzdorf eröffnet

Das Gedenken „80 Jahre Reichspogromnacht“ prägte die Kreissynode unseres Kirchenkreises, die am  Freitag, 9. November, mit einem Abendmahlsgottesdienst in der Betzdorfer Kreuzkirche eröffnet wurde. Sowohl im Gottesdienst, wie auch in dem Bericht der Superintendentin, nahm das Gedenken an die Ereignisse vom 9. auf den 10. November 1938 breiten Raum ein.

Synodenprediger Stefan Turk (Gemeindepfarrer in Birnbach/er predigte zu Luk, 4) hob heraus: „Das, was Jesus in unserem Predigttext tat ‚er ging nach seiner Gewohnheit am Sabbat in die Synagoge‘ hätte er heute vor 80 Jahren in ganz Deutschland nicht tun können. Es gab keine Synagogen mehr! Turk erinnerte daran, dass mit den brennenden Synagogen, zerstörten jüdischen Versammlungsräume und Betstuben in ganz Deutschland eine schmerzliche Wende begann: der Übergang von der Diskriminierung der jüdischen Menschen hin zu einer systematischen Verfolgung, die im Holocaust endete!

„Die Reichspogromnacht 1938 war ein Mittwoch; aber an dem darauffolgenden Sonntag wurde in den meisten evangelischen Kirchen gepredigt als wäre nicht geschehen…“ zeigte er das damalige Versagen der Kirche deutlich auf.

Im Gottesdienst wirkten neben Gemeindepfarrerin Anja Karthäuser (Betzdorf) und Pfarrer Stefan Turk auch Superintendentin Andrea Aufderheide und Kreiskantor Johann-Ardin Lilienthal mit.

 

„Hellhörig und empfindsam agieren“ –

„Wir als einzelne Christen und als Kirche in der sozial gesicherten Lebenswelt Mitteleuropas haben Frieden ein Menschenleben lang, seit über 73 Jahren, erfahren, und deshalb wird von uns ein intensives Engagement für Gerechtigkeit, für Frieden lokal und weltweit erwartet. Unser entschiedenes Engagement für Frieden in Gerechtigkeit wird sehnlichst von denen erhofft, die aktuell in Krisengebieten und Notsituationen leben müssen!

In ihrem Bericht an die Synode des Evangelischen Kirchenkreises Altenkirchen, unterstrich Superintendentin Andrea Aufderheide die Verantwortung der Christen für die Friedenssicherung der Welt. Entlang der Jahreslosung 2019: „Suche Frieden und jage ihm nach!“ nahm die Theologin das besondere Datum des 9. Novembers auf.

„Wir  erinnern uns an die Pogromnacht vor genau acht Jahrzehnten, die mit ihren rassistischen, mörderischen Ausschreitungen, der kriminellen Bereicherung am Eigentum jüdischer Mitbürger und der Brandschatzung unzähliger Synagogen keine spontane Entladung des Volkszorns war, wie die NS-Propagandisten dies damals darstellten!“

„Die sogenannte ‚Reichskristallnacht‘ bereitete gezielt den Holocaust vor, der wiederum in engem Zusammenhang mit einem faschistischen Unterwerfungs- und Vernichtungskrieg stand,“ hob Aufderheide hervor. „Dass wir acht Jahrzehnte nach dieser deutschen Schreckensherrschaft als die Kinder, als die Enkel und Urenkel der Mitläufer und Täter, selten als Nachfahren der Opfer Friedenswege des Erinnerns, der Versöhnung und der Verständigung gehen dürfen, dass wir als Nachkriegsgenerationen nicht aus einer kollektiven Schuld heraus, aber aus einer kollektiven Verantwortung heraus gegen Antisemitismus und Rassismus, gegen diktatorische Regime und für die Wahrung von Menschenrechten auftreten, das ist Folge einer Befreiung, die wir als Deutsche 1945 nicht aus eigener Kraft erreicht haben!

Umso ‚dünnhäutiger, hellhöriger und empfindsamer‘ müsse man als Kirche reagieren, wenn aktuell vieles in Frage gestellt wird, was den Friedensprozessen lokal und weltweit diene, mahnte die Superintendentin an.

 

FORTSETZUNG DER SYNODE

Fortgeführt wurde die Synode am Samstag, 10. November, im Gemeindehaus „Auf dem Bühl“. Dort kamen die rund 70 Synodalen und Gäste aus den 16 evangelischen Kirchengemeinden im Kreis Altenkirchen zusammen. Nach einer Andacht von Gemeindepfarrer Heinz-Günther Brinken stand mit dem Impulsreferat vom Kirchenrat Dr. Volker Haarmann (Evangelische Kirche im Rheinland) „80 Jahre Reichspogromnacht und Antisemitismus heute“ die Fortsetzung des Gedenkens an.

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Synodenauftakt  in Bildern

Kreiskantor Johann-Ardin Lilienthal (rechts) stimmte vor dem Abendmahlsgottesdienst die Synodalgemeinde musikalisch ein. Mitwirkende am Gottesdienst in der Kreuzkirche (v.l.) Prediger Pfarrer Stefan Turk, Superintendentin Andrea Aufderheide und Gemeindepfarrerin Anja Karthäuser (Betzdorf).

 

 

 

 

Superintendentin Andrea Aufderheide mahnte in ihrem Bericht an die Synode an „Es braucht Menschen, die nicht weghören und wegsehen, wenn rassistisches Gedankengut und Stimmungsmache ausgelebt werden, sondern die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und sich gewaltfrei, aber klar und christlich motiviert dagegen zu engagieren!“

 

 Oberkirchenrat Bernd Baucks, Finanzdezernent der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) ist offizieller „Kirchenkreis-Begleiter“ und ging in seinem Wort an die Synode auf den „dreifachen Gedenktag 9. November“ ein und wählte deutliche Worte angesichts zunehmender fremdenfeindlicher und antisemitischer Tendenzen in der Gesellschaft:“ „Wir Christen müssen wissen, dass wir ein Bekenntnis ablegen müssen! Wir müssen diesen Aussagen eine klare, unmissverständliche Botschaft entgegensetzen – das ist vom Evangelium her unsere Aufgabe!“.

 

Die Synodalen in Betzdorf beim Hören der Berichte aus dem Kirchenkreis. (Alle Fotos: Petra Stroh)