Ganz besonderer Festtag für die Gemeinde Altenkirchen
Vielgestaltig – und nur auf den ersten Blick widersprüchlich – feierte die Kirchengemeinde Altenkirchen einen ganz besonderen Festtag: die Umbenennung ihres Gemeindezentrums in „Theodor-Maas-Haus“. So wird künftig ihr Gemeindemittelpunkt den Namen ihres ehemaligen Pfarrers tragen und nachhaltig an einen Mann erinnern, der als Opfer des NS-Regimes lange nicht die Würdigung erfuhr, die er verdient hatte. Berührend und in vielfältiger Form gestalteten die Altenkirchener einen Festtag, der gleichzeitig Würdigung und Mahnung, aber auch Selbstverpflichtung darstellt.
Im Gottesdienst in der vollbesetzten Christuskirche erinnerte Pfarrer Theodor Maas, Klinikseelsorger in Aachen, als Enkel des ehemaligen Altenkirchener Gemeindepfarrers an seinen Großvater und dessen Frau Babette. Mitgebracht auf die Kanzel hatte er die Tischuhr seiner Großeltern, die als „Zeitzeugin“ im Pfarrhaus (Großvater Theodor Maas war von 1921 bis 1943 Gemeindepfarrer in Altenkirchen) dabei war. In seiner berührenden Predigt (HIER die PREDIGT IM WORTLAUT) hob er das Gottvertrauen hervor, das seinen Großvater durch die „Dunkelheit“ getragen hat.
Pfarrer Theodor Maas hatte die Tischuhr seiner Großeltern zur Festtags-Predigt im Einsatz. In seiner bewegenden PREDIGT erinnerte der Enkel Theodor Maas an seinen Großvater.
Musikalisch wurde der Gottesdienst von Kantor Johann-Ardin Lilienthal und der Kantorei ausgestaltet, bereichert auch von Deutschlands einziger jüdischer Kantorin Avitall Gerstetter (Berlin), die bereits am Vorabend der Umbenennung mit einem Konzert in der Christuskirche begeisterte.
Im Anschluss an den Gottesdienst enthüllten junge Gemeindemitglieder gemeinsam mit Pfarrerin Andrea Ehrhardt das neue Hinweisschild am Gemeindezentrum. Dieses Schild außen macht – ebenso wie ein Porträtfoto von Pfarrer Maas und einer noch entstehenden Informationstafel im Hausinneren – allen Besuchern künftig deutlich, warum der Lebensmittelpunkt der vielgestaltigen Gemeindearbeit nun in besonderer Beziehung zu dem ehemaligen Gemeindepfarrer steht.
Wer war Pfarrer Theodor Maas? Was bedeutete er den Menschen? Was geschah in seiner Amtszeit in Altenkirchen, im Kirchenkreis und in ganz Deutschland? Was bewegte ihn? Seine Zeitgenossen? Die Menschen, die nach dem Tod von Maas schwiegen? Die gar seine Grabstätte aufheben lassen wollten? Was waren da für Menschen, die zäh und nachhaltig recherchierten und „wider das Vergessen“ kämpften? Die sich fanden und gemeinsam agierten und dafür sorgten, dass 74 Jahren nach dem Tod von Pfarrer Maas das Altenkirchener Gemeindezentrum seinen Namen trägt?
Ein Team rund um die Aktiven der Kirchengemeinde Altenkirchen, Schulreferent Martin Autschbach und Enkel Theodor Maas hatten in berührender Weise viel Informatives, Nachdenkliches und Berührendes für einen Festtag zusammengestellt (ANKÜNDIGUNGSARTIKEL). Im Verbund mit den Gästen und deren Grußworten (u.a. Superintendentin Andrea Aufderheide, Stadtbürgermeister Heijo Höfer, MdL, Beigeordneter Heinz Düber von der Verbandsgemeinde), den eingespielten und/oder vorgetragenen Berichten von ZeitzeugInnen, mittels Erinnerungstafeln und Rechercheergebnissen verschiedener Aktiver und mehr kam man in Altenkirchen dem Menschen Theodor Maas und seinem Schicksal ganz nah. Die Jugend, in Gestalt der Konfirmanden mit ihren Beiträgen, die Kraft der Musik – im Nachmittagsprogramm war es die Kirchenband – aber auch die Verleihung des kreiskirchlichen „Theodor-Maas-Preises 2019“ setzten weitere besondere Akzente:
https://kk-ak.de/zwei-gruppen-und-eine-einzelleistung-ausgezeichnet/
An so mancher Stelle versagten Stimmen, wurden Augen von Tränen gefüllt, kam Scham zutage, klang Bitterkeit durch. Es ertönte das jubelnde Händel’sche Halleluja, dankbare Freude wurde laut in Wort und Musik, freudiges Klatschen und Stolz auf Erreichtes offenbar: Was eigentlich unvereinbar klingt, wurde vereinigt bei diesem ganz besonderen Festtag der Kirchengemeinde Altenkirchen, der sicherlich noch lange nachhallen wird.
Im Anschluss an den Festakt versammelte sich Gemeindemitglieder, Familienangehörige (sie waren teils aus Dänemark angereist!) und Freunde von Theodor Maas noch am Familiengrab von Theodor und Babette Maas auf dem Altenkirchener Waldfriedhof. Pfarrer Martin Autschbach gestaltete hier mit Psalm, Gebet und Reisesegen das Gedenken am Familiengrab.
Text/Fotos: Petra Stroh
Kinder und Jugendliche aus der Kirchengemeinde Altenkirchen enthüllten die neue Namens-Tafel am Gemeindezentrum.
Dieses nachbearbeitete Porträt von Pfarrer Maas wird künftig im Gemeindezentrum an den Namensgeber erinnern. Gemeindepfarrerin Andrea Ehrhardt (links) begleitete die Gäste durch ein vielgestaltiges Festprogramm.
In szenischen Lesungen brachten (v.l.) Schulreferent Pfarrer Martin Autschbach, Gemeindepfarrerin Gudrun Weber-Gerhards und Schulpfarrer Martin Gerhards (auch unterstützt von Konfirmanden der Gemeinde) Pfarrer Maas und die Geschichte näher.
Avitall Gerstetter (links) ist die einzige jüdische Kantorin in Deutschland. Die Berlinerin gab am Vorabend des Festtages ein Konzert in der Christuskirche und bereicherte auch den Festgottesdienst. Pfarrer Martin Autschbach (rechts) ist und bleibt „Triebfeder“ der Erinnerungsarbeit in der Kirchengemeinde und im Kirchenkreis.