Künftig in Altenkirchen als Erinnerung: Theodor- Maas-Haus

Am Sonntag, 24. März ist es so weit: Das „Forum“, das frisch renovierte Gemeindezentrum der Evangelischen Kirchengemeinde Altenkirchen, erhält zeitgleich mit seiner Wiedereinweihung auch einen neuen Namen: Einstimmig hat das Presbyterium beschlossen die Räumlichkeiten in „Theodor-Maas-Haus“ umzubenennen. Erinnert wird damit an den ehemaligen Altenkirchener Gemeindepfarrer Theodor Maas ( (1878-1943) , der von 1921 bis 1943 in Altenkirchen wirkte  und  unter dem NS-Regime aufgrund seiner jüdischen Ahnen zahlreiche Schikanen – auch aus seinem Kollegen-Umfeld – erlitt und im März 1943 unter ungeklärten tragischen Umständen starb.

Die Namensänderung wird durch einen feierlichen Sonntags-Gottesdienst um 10 Uhr in der Christuskirche eingeleitet. Prediger im Gottesdienst wird der gleichnamige Enkel von Theodor Maas, Pfarrer in Aachen, sein. Musikalisch wirken Kreiskantor Johann-Ardin Lilienthal und die Kantorei der Christuskirche sowie die jüdische Kantorin Avitall Gerstetter (Berlin) mit. Im Anschluss an den Gottesdienst gibt es im Gemeindezentrum die symbolische Umbenennung. Nach einem gemeinsamen Mittagessen (ca. 12.30 Uhr), folgt ab 13.30 Uhr ein kleines Fest mit Musik, Gästen und Unterhaltungs-/Informationsprogramm. So die Verleihung des Theodor-Maas-Preises, den der Evangelische Kirchenkreis Altenkirchen nach 2017 nun bereits zum zweiten Mal an SchülerInnen aus dem Kreis Altenkirchen für besondere Leistungen im Fach „Evangelische Religion“ verleiht.

Bereits am Samstag, 23. März, 19 Uhr, gibt die jüdische Kantorin Avitall Gerstetter, ein Konzert in der Christuskirche! (siehe unten!)

 

Die Lebensgeschichte von Pfarrer Maas erforscht

Theodor Maas war vom Mai 1921 bis zum 3. März 1943 Pfarrer in der vormals reformierten Pfarrstelle im II. Bezirk in der Ev. Kirchengemeinde Altenkirchen. Als äußerst beliebter Seelsorger gestaltete er zusammen mit seiner musikalisch hoch begabten Frau Babette (geb. Kolb) das Gemeindeleben vor Ort in schweren Zeiten: Weltwirtschaftskrise, Inflation, nationalsozialistische Bedrückung und Zweiter Weltkrieg wechselten einander ab.

 Nach dem ehemaligen Altenkirchener Gemeindepfarrer Theodor Maas, der von 1921 bis 1943 in der Evangelischen Kirchengemeinde wirkte, wird das frisch renovierte Gemeindezentrum an der Christuskirche benannt.

 

 

2015 beauftragte die Ev. Kirchengemeinde Altenkirchen und der Ev. Kirchenkreis das Schulreferat des Kirchenkreises mit einer neuen Recherche zu Pfarrer Theodor Maas. Schulreferent Pfarrer Martin Autschbach, der bereits vor Jahren intensiv über den ehemaligen Altenkirchener Theodor Maas geforscht hatte, stellte mit Hilfe zahlreicher Zeitzeugen und mit der intensiven Unterstützung des Enkels von Maas – er heißt ebenfalls Theodor Maas und ist Klinikpfarrer im Kirchenkreis Aachen – eine umfangreiche Dokumentation zusammen . Diese knüpft an wegweisende Veröffentlichungen aus den 80er Jahren von Hildegard Ottweiler an, ergänzt diese aber um eine Vielzahl neuer Details. Aktenfunde im Archiv des Landeskirchenamtes in Düsseldorf, bisher unbekannte Gestapo-Unterlagen und viele Interviews mit ehemaligen Konfirmandinnen komplettieren die bisherigen Kenntnisse.

Der gleichnamige Enkel Theodor Maas (links) ist ebenfalls Pfarrer und wirkt als Klinikpfarrer in Aachen. Er unterstützt Pfarrer Martin Autschbach (rechts), Schulreferent der Kirchenkreise Wied und Altenkirchen, bei den Recherchen über das Schicksal seines Großvaters. Bei gemeinsamen Veranstaltungen (hier ein Archivfoto aus Hamm) stellen sie die jeweiligen Rechercheergebnisse auch Interessierten

vor. (Archivfoto/KK/Stroh)

 

 

 

 

So stellt sich den Dokumentatoren die Geschichte dar:

Da Theodor Maas väterlicherseits jüdische Ahnen besaß, wurde er ab 1933 als „Mischling ersten Grades“ zunehmend und schließlich systematisch schikaniert, nicht nur von den örtlichen Instanzen der NSDAP und den Verwaltungsorganen der Stadt, sondern auch von seinem damaligen Amtsbruder Pfarrer Ludwig Heckenroth, der Inhaber der vormals lutherischen Pfarrstelle war. Eine Kette von Denunziationen und Verleumdungen folgten, die Beschattung und Bespitzelung seiner Amtshandlungen und aller Gottesdienste waren an der Tagesordnung und hatten ein Ziel: Die Abberufung von Pfarrer Maas aus seiner Stelle in Altenkirchen.

Seine Gegner erreichten, dass er als Religionslehrer aus der höheren Stadtschule ausscheiden musste und im Presbyterium zunehmend isoliert war. Öffentliche Herabsetzungen und Tätlichkeiten bis hin zu Angriffen auf Leib und Leben nahmen in erschreckender Weise zu. Aber allen diesen Anfechtungen zum Trotz blieb Pfarrer Maas standhaft. Er wurde Mitglied der Bruderschaft der Bekennenden Kirche (BK) im Kirchenkreis. Seine Mitbrüder aus der BK stärkten ihm in der Auseinandersetzung mit seinem nationalsozialistisch orientierten Amtsbruder vor Ort den Rücken. Durch Eingaben und zähe Verhandlungen mit dem Konsistorium in Düsseldorf gelang es Pfarrer Maas und seinen Verbündeten sogar, dass der gegen ihn fortlaufend Intrigen schmiedende Pfarrer Heckenroth seinen Ruhestand früher als geplant antreten musste. Dies war aber ein zeitlich befristeter Erfolg.

Schon vor Kriegsbeginn kam es fortlaufend zu Gestapo-Verhören in Koblenz, die auch mit körperlicher Gewalt einhergingen. Aber auch diese Maßnahmen konnten Pfarrer Maas nicht brechen. Er erteilte in wechselnden Privathäusern Religionsunterricht, weil sich nationalsozialistische Volksschullehrer weigerten, das Fach weiterhin zu unterrichten.

In uns überlieferten Predigten ist seine widerständige Geisteshaltung und die Kritik am Krieg und dem nationalsozialistischen Regime greifbar. Pfarrer Maas besuchte ab November 1938 regelmäßig die völlig verarmte Familie Löbl, die ebenfalls jüdische Wurzeln hatte und unterstützte sie mit Nahrungsmitteln. Nach einem Brandanschlag auf das Pfarrhaus und der anonymen Zustellung eines Leichenkranzes wurde Pfarrer Maas am 2. März 1943 auf dem Rückweg von einem abendlichen Besuch an der Kreuzung Kumpstraße/ Kölner Straße von einem LKW angefahren und so schwer verletzt, dass er am folgenden Morgen starb. Die wahren Todesumstände wurden verschleiert. Als Todesursache attestierte man „Schlaganfälle“. Dass diese wohl Folgen eines Schädelbasisbruchs waren, blieb unerwähnt.

 Mehrere Zeitzeugen äußerten noch in den 80er Jahren unabhängig voneinander, dass es sich um einen gezielten Anschlag örtlicher Nationalsozialisten gehandelt habe, die den LKW steuerten.

Obwohl nur der engste Familien- und Freundeskreis die wahren Gründe und Umstände seines Todes wussten, nahmen 1.000 Menschen – evangelische und katholische Christen – an der Beerdigung von Pfarrer Theodor Maas teil. Die Beerdigung wurde von örtlichen Nationalsozialisten heftig gestört.

Ehemalige Konfirmandinnen und Konfirmanden behielten ihren Pfarrer und seine tapfere Frau Babette bis heute in guter Erinnerung. Mitglieder des Presbyteriums, viele Zeitzeugen und die Familie Maas erreichten 1986, dass seine Grabstätte auf dem Waldfriedhof nach einer Kette von Eingaben an die Stadtverwaltung erhalten blieb. Eine Gedenktafel erinnert seit 1988 am Eingang der Christuskirche an ihn.

 „Wenn die Ev. Kirchengemeinde Altenkirchen das Forum in „Theodor-Maas-Haus“ umbenennt, bekennt sie sich bei jeder Nutzung dieses Versammlungsorts zu einem besonderen Teil ihrer Geschichte“, unterstreicht Pfarrer Martin Autschbach: Die Erinnerung an einen tapferen Pfarrer, der unvergessen blieb, weil er im Unterschied zu vielen anderen zähen Widerstand gegen ein verbrecherisches Regime leistete, gewinnt Alltagsgehalt und wird zum Anlass fortlaufenden Gedenkens. Die Erinnerung an Pfarrer Theodor Maas erhält auf diese Weise einen Ort, an dem mit jungen und alten Gemeindegliedern immer wieder bedacht werden kann, warum dieser Treffpunkt der Gemeinde so heißt. „Es geschieht somit exakt das Gegenteil von dem, was rassistisch und antisemitisch eingestellte Personenkreise 1943 planten. Sie wollten Pfarrer Theodor Maas und seine Geschichte auslöschen und totschweigen. Dies wird ihnen auch fortan nicht gelingen!“

 

Foto der Familie Maas im Pfarrgarten in Altenkirchen

 Theodor-Maas-Preis des Kirchenkreises Altenkirchen

Der „Theodor-Maas-Preis“ des Evangelischen Kirchenkreises Altenkirchen wurde 2017 erstmals ausgelobt und wird für besondere Leistungen im Fach „Evangelische Religion“ verliehen. Er erinnert an Pfarrer Theodor Maas, der von 1921 bis zu seinem Tod im Jahr 1943 Pfarrer in Altenkirchen war. Als Pfarrer der „Bekennenden Kirche“ und selbst jüdischer Abstammung war er Anfeindungen und roher Gewalt ausgesetzt. Pfarrer Maas hat, nachdem evangelischer Religionsunterricht in manchen Schulen unmöglich geworden war, versucht, in Privathäusern weiterhin Religionsunterricht zu erteilen Der mit 200 Euro ausgestatte Preis soll regelmäßig die Projekte von Schülerinnen und Schülern aus allen Schulformen würdigen.

„Damit soll die wichtige Bildungsarbeit des Religionsunterrichts herausgestellt werden. Lehrkräften und ihre Schülerinnen und Schülern will er Mut machen, im Fach Evangelische Religion neue und spannende Wege zu gehen“, heißt es in der Ausschreibung. Nicht zuletzt will er auch für ein Studium der Evangelischen Theologie werben.

2017 erhielt die Betzdorfer Schülerin Anna Culmann aus Herdorf, damals Schülerin der MSS 12 des Freiherr-vom Stein-Gymnasiums Betzdorf-Kirchen, den ersten „Theodor-Maas-Preis“ für ihre Arbeit „Kirchenpolitik und christliches Bekenntnis 1933. Die Sportpalastrede des Gauobmanns Dr. Krause und ihre weit reichenden Auswirkungen.“

 Jüdische Kantorin musiziert in der Altenkirchener Christuskirche

 Am Vorabend der Festlichkeiten rund um die Wiedereröffnung und der Umbennung des Altenkirchener Gemeindezentrums – künftig: Theodor-Maas-Haus – gibt es in der Altenkirchener Christuskirche ein besonderes Konzert. Am Samstag, 23. März, 19 Uhr, gastiert dort die jüdische Kantorin Avitall Gerstetter.

Avitall Gerstetter wuchs in einer traditionellen jüdischen Familie in West-Berlin auf. Durch ihre Mutter, eine Musik- und Bat-Mizwa-Lehrerin, wurde sie an die Musik herangeführt. Nach dem Abitur studierte Gerstetter als Hauptfach Gesang bei Rudolf Riemer, sowie Klavier, Klarinette und Tanz an der Universität der Künste Berlin. Als Zweitfach studierte sie Englisch an der Technischen Universität Berlin. Schon früh fiel ihr besonderes Gesangstalent als Sopran auf, das sie unter anderem im Chor der Jüdischen Gemeinde der Synagoge Pestalozzistraße bewies. Von Oberkantor Estrongo Nachama wurde sie ermutigt, Kantorin zu werden. Im Jahr 2001 absolvierte Gerstetter ihre Kantorenausbildung in New York und amtiert seither regelmäßig in den Synagogen Oranienburger Straße und Hüttenweg, wobei es anfangs in orthodoxen Kreisen der Berliner Gemeinde Vorbehalte gegen eine Kantorin gab.

In ihrer Freizeit engagiert sie sich gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus – Avitall hat unterschiedliche Projekte initiiert – dazu zählen ein Comic „Rozsika“, der sich mit der Frage befasst, was aus den Opfern der Shoah geworden wären, wenn es dieses schreckliche Verbrechen nicht gegeben hätte – zudem engagiert sie sich für Projekte der Kultur- und Völkerverständigung – dazu zählen „Ein Leuchter für den Kudamm“ und ein regelmäßig stattfindendes „Salon-Dinner“.

Der Eintritt zum Konzert ist frei – Spenden sind erwünscht.

Avitall Gerstetter wird zudem beim Festgottesdienst am Sonntag, 24. März, 10 Uhr, in der Christuskirche mitwirken. Die Kirchengemeinde Altenkirchen wird an diesem Tag ihr renoviertes Gemeindehaus wiederöffnen und gleichzeitig in „Theodor-Maas-Haus“ umbenennen.

Die jüdische Kantorin Avitall Gerstetter (Foto: privat) gibt am Samstag, 23. März, 19 Uhr, ein Konzert in der Altenkirchener Christuskirche.