Pfingsten: Was ist da noch mal los???

„Was ist an Pfingsten passiert?“, fragen Konfirmanden in der Fußgängerzone und erhalten nur von ganz wenigen Passanten erhellende Antworten. „Da ist Ostern rum“, meint einer – und es stimmt: Im Kirchenkalender endet mit Pfingsten offiziell die 50-tägige Osterzeit. Pfingsten, das Fest des Heiligen Geistes, gilt deshalb als „Geburtstag“ der Kirche. Aber sonst? Die Straßenumfrage, die die Wiesbadener Konfirmanden auf Youtube gestellt haben, bestätigt: Mit dem dritten christlichen Hauptfest nach Weihnachten und Ostern können viele nichts anfangen. Eine Emnid-Umfrage ergab schon vor Jahren: Nur etwa die Hälfte der Deutschen kennt die Bedeutung des Pfingstfestes. Was bedeutet Pfingsten?

 

Auf Spurensuche in der biblischen Apostelgeschichte

Das Wort Pfingsten kommt aus dem Griechischen: Pentekoste heißt fünfzigster (Tag nach Ostern). 50 Tage nach dem Passafest wurden im Judentum als Dank für die Weizenernte die Erstlingsfrüchte Gott dargebracht. Dieses Erntedankfest heißt auf Hebräisch Schawuot. Erinnert das Passafest an die Befreiung von der Sklaverei in Ägypten, so feiert das Judentum an Schawuot besonders die Gabe des Gesetzes. Im Lauf der Zeit entstand die Erzählung, dass Gott die Gebote in einer Sprache wie aus Feuer und außerdem in allen Sprachen der Welt verkündet habe. Dies ist der Hintergrund für das erste christliche Pfingstfest, von dem die Apostelgeschichte im Neuen Testament der Bibel berichtet. Die Apostel waren am Pfingsttag in Jerusalem versammelt. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in anderen Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab. (Apostelgeschichte 2, 2-4) Das geschieht vor einem internationalen Publikum; an die 20 Volksgruppen werden aufgezählt. Etwas Unbegreifliches irritiert und verstört sie: Jeder Zuhörer hört die Apostel in seiner eigenen Muttersprache. Andere – auch das verschweigt die Bibel nicht – verspotten die vom Geist Erfüllten und halten sie für betrunken. Da ergreift Petrus das Wort. Er bezeugt, dass Gott den gekreuzigten Jesus wieder zum Leben erweckt und „zum Herrn und Christus gemacht hat“. Das geht den Zuhörern ans Herz. 3000 Menschen lassen sich taufen, so der biblische Bericht. Die erste christliche Gemeinde ist entstanden. Pfingsten, das Fest des Heiligen Geistes, gilt deshalb als „Geburtstag“ der Kirche.

 

 „Wenn Jesus sein Haus renoviert“

Ein Pfingstimpuls von Präses Manfred Rekowski

Das waren noch Zeiten, als der Heilige Geist die Gemeinde begeisterte und interessant machte, als viele Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenströmten und die großen Taten Gottes die Menschen bewegten. Begeistern lassen sich Menschen heute offenkundig eher an anderen Orten als in der Kirchengemeinde. Ist die Kirche von allen guten Geistern verlassen? Nein, das ist sie nicht. Denn die große Zusage Jesu bleibt: Pfingsten feiern wir, weil der Himmel Einzug bei uns gehalten hat. In das Haus, das wir selber sind. In das Haus unserer Gemeinde. Jesus sagt selbst: „Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“ Ich bin überzeugt: Jesus will nicht die perfekte Wohnung vorfinden, sondern an und in uns arbeiten. Jesus möchte das Haus auch der Gemeinde so verändern, renovieren, dass es ein brauchbares Haus für seine Gegenwart wird. Wer hat bei uns das Sagen? Der Geist der Resignation? Der Geist der Erschöpfung? Die Kraft der Selbsterhaltung? Der Glaube an die Machbarkeit? Christus verheißt, dass er zu uns kommt – trotz unserer Beschränktheit, Fehlerquote und Kurzatmigkeit. Wir bestellen deshalb nicht die Abrissbirne und den Bagger. Kirche ist kein Abbruchunternehmen, sondern in Bewegung, geistbewegt. Wir warten auf den Fortschritt der Renovierungsarbeiten des Heiligen Geistes. Pfingsten bedeutet: Wir gehen fröhlich an die Arbeit, weil es auf uns zuletzt gar nicht ankommt. Deshalb bitten wir auch in Zeiten, in denen es gut läuft, immer wieder: Komm, Schöpfer Geist!

 

Pfingsten: Die Sendung des Geistes 50 Tage nach Ostern – so sieht es Karikaturist Michael Hüter

 

„Pfingsten ist ein existenziell wichtiges Fest“

Theologisch betrachtet ist Pfingsten für die Kirche jedoch ein existenziell wichtiges Fest. Der Theologe Fulbert Steffensky (Luzern) nennt den Pfingsttext aus der Apostelgeschichte in einer preisgekrönten Predigt „die Geburtsurkunde der Kirche“, die „von einer alten und lange vergangenen Schönheit“ zeuge.
Ich war gemeint, dachte die alte Dame Kirche
Steffensky stellt sich die Kirche als „alte Dame“ vor, die erstaunt in ihrer Geburtsurkunde liest und die revolutionären Anfänge der Christenheit wiederentdeckt: „So also war ich gemeint, denkt die alte Dame Kirche. Das war der Anfang und der große Traum: Jeder sollte die Sprache des anderen verstehen; jeder sollte Gesichter haben und der Wahrheit näher sein, nicht nur die Profis oben; alle sollten miteinander das Gebet, das Brot und das Geld teilen.“
Mit Pfingsten ist vielerorts eine ökumenische Tradition verbunden. In gemeinsamen Gottesdiensten oder Andachten erinnern Protestanten und Katholiken daran, dass beim ersten Pfingsten Menschen aus unterschiedlichen Lagern durch Gottes Geist zu einer Einheit zusammengeschweißt wurden. Die Theologin Margot Käßmann beschrieb das einmal so: „Pfingsten ist nicht der Geburtstag der Reformierten, der Lutheraner, der Katholiken oder der Baptisten, sondern der Geburtstag der Kirche.“

(Alle Texte/Karikatur: ekir.de)