Nachbericht Lesung Esther Bejarano in Hamm und Flammersfeld Oktober 2016
Gemeinsam mit der „Microphone-Mafia“ ließ Esther Bejarano ihrer „Lesung wider das Vergessen“ im Flammersfelder Gemeindehaus ihre Botschaft für ein „Waches Hinsehen“ musikalisch wirken. Foto: Petra Stroh
Beeindruckend mit
Wort und Gesang
Zeitzeugin Esther Bejarano in Hamm und Flammersfeld
HAMM/FLAMMERSFELD. Esther Bejarano meets “Microphone Mafia“ waren außergewöhnliche Lesungen und Konzerte der KZ (Shoa)-Überlebenden in der IGS Hamm und im Evangelischen Gemeindehaus Flammersfeld überschrieben.
Beeindruckt hat die 91jährige dabei sowohl die SchülerInnen in Hamm wie auch das Publikum im vollen Flammersfelder Gemeindehaus.
Im Gemeindehaus – die Kirche ist nach der Renovierungsphase noch nicht ganz einsetzbar – hatte sich eine bunte Mischung Interessierter versammelt. Gemeindepfarrerin Silvia Schaake begrüßte dazu die Gäste aus Nah und Fern und verwies auf die engagierte Erinnerungsarbeit in der Kirchengemeinde Flammersfeld. Alljährlich am Holocaust-Gedenktag am 27. Januar gibt es eine kreiskirchliche Veranstaltung, in der u.a. das Gedenken an die Flammersfelder Moses und deren Schicksal wach gehalten wird.
Gemeinsam organisiert hatten unser Kirchenkreis, die evangelische Kirchengemeinde Flammersfeld, der DGB Kreisverband Altenkirchen und die IG Metall Betzdorf den besonderen Abend, der sowohl Kopf, wie auch Herz und Ohren ansprach und in seiner ganz speziellen Art sehr deutlich die Botschaft rüberbrachte: Hinschauen, wach bleiben und nicht müde werden, sich gegen Rassismus, Diskriminierung und Gewalt wehren und für Menschenwürde kämpfen!
Dass dies auch durchaus mit einem „Lächeln im Gesicht“ und einem fröhlichen Sound gelingen kann, mal „frech“ und witzig rüberkommen darf und trotz fremder Sprache verstehbar bleibt: Das alles bewiesen Esther Bejarano und ihre beiden musikalischen Begleiter, der Kölner Hip-Hoper Kutlu Yurtseven von der „Microphone Mafia“ und Gitarrist Joram Bejarano.
Nach der beeindruckenden Lesung Esther Bejaranos aus ihrem Buch „Erinnerungen“ sangen und rappte das Trio mehrsprachig: Auf jiddisch, italienisch, türkisch und deutsch wurden alte und neue Lieder vorgetragen, darunter Rapsongs und Lieder aus der Arbeiterbewegung, jeweils passend arrangiert.
Trotz ihrer 91 Jahre machte Esther Bejarano sowohl im Flammersfelder Gemeindehaus wie auch vor den SchülerInnen in Hamm klar, dass sie – in Text und Musik – noch immer deutlich und laut ihre „Botschaft gegen das Vergessen“ verkünden kann und will.
Die engagierte Mitbegründerin und Vorsitzende des Internationalen Auschwitz-Komitees wurde 1924 als viertes Kind des Oberkantors Rudolf Loewy und seiner Frau Margarethe in Saarlouis geboren. Die Familie war im Nationalsozialismus dem antisemitischen Terror ausgesetzt und Esther wurde 1943 aus dem Arbeitslager Neuendorf nach Auschwitz deportiert.
Was sie dort erlebte, wie sie ins Mädchenorchester als Akkordeon-Spielerin gelang, vom Vernichtungslager Auschwitz als „Viertel-Arierin“ ins KZ Ravensbrück und schließlich 1945 auf einen der Todesmärsche nach Mecklenburg-Vorpommern geschickt wurde und dort das Kriegsende erleben und „feiern“ konnte: Sehr bewegend schilderte Bejarano die schrecklichen Jahre, die ihr die „Jugend“, aber nicht ihren Willen zum Überleben und zu einem Leben im Kampf „wider das Vergessen“ nahmen.
Kutlu Yurtseven gab im anschließend musikalischen Teil viele Infos zum politischen Engagement der Hip-Hopper, aber auch Aufklärung, wie es zu der ungewöhnlichen, aber ausgesprochen eindrucksvollen und nachhaltigen Verbindung der „Microphon-Mafia“ mit Esther Bejarano kam. Wie man eigentlich nur zwei gemeinsame CDs produzieren wollte um ein „Signal gegen Rechts“ zu setzen und wie man seit Jahren gemeinsam nun viele Menschen, insbesondere auch junge, bei Lesungen und Konzerte erreichen, die „bis ins Herz gehen“. Dass die „lauten“ Musiker und die „unleise“ Esther Bejarano dabei auf einem ausgesprochen „nachhaltigen und nachklingenden Weg“ sind, bewiesen auch die Rückmeldungen aus Hamm und Flammersfeld, die von der „Erinnerungsarbeit der ganz besonderen Art“ berührt und „aufgeweckt“ wurden. PES.
Beeindruckt hat die 91jährige Esther Bejarano auch die SchülerInnen der IGS Hamm, die am Vortag der Flammersfelder Veranstaltung die „Erinnerung der besonderen Art“ erlebten. Foto: Martin Autschbach