Muku Gewalt
„Hilfe muss vor Ort organisiert werden“
Erschütternde Berichte zur Lage der von Gewalt bedrohten Frauen im Ostkongo
40 Prozent der Frauen im Ostkongo wurden in den vergangenen Jahren Opfer von „sexueller Gewalt“. Vorwiegend in den kriegerischen Auseinandersetzungen, die immer wieder in diesem rohstoffreichen Bereich des Kongos aufflammen, in dem auch die Partner des Evangelischen Kirchenkreises Altenkirchen – in Muku – leben, werden Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen gezielt als Mittel von Terror, Demütigung oder Vergeltung/Rache eingesetzt.
„Wer eine Frau zerstört, zerstört die Familien und damit auch die Dörfer“, Daniela Gierschmann, Referentin von „medica mondiale“ berichtete vor rund 60 Besucherinnen im „Forum“ der Evangelischen Kirchengemeinde Altenkirchen von den schlimmen Folgen, die Frauen erleiden müssen, die Opfer des Kriegs- und Machttreibens im Kongo geworden sind.
Pfarrerin Marion Holzhüter (links), Vorsitzende des Synodalen Arbeitskreises für Frauenfragen im Evangelischen Kirchenkreis Altenkirchen, begrüßte in Altenkirchen zahlreiche Gäste, die sich von Referentin Daniela Gierschmann (rechts) über „Gewalt gegen Frauen im Kongo“ informieren ließen und sich austauschten, wie man Hilfe – insbesondere auch im Partnerkirchenkreis Muku – organisieren und anbieten kann. Fotos: Petra Stroh
Opfer werden noch zusätzlich ausgegrenzt
Gierschmann, seit sechs Jahren bei „medica mondiale“ aktiv, ist zuständig für die Region Ostkongo, koordiniert Hilfsprojekte für Frauen und erlebt bei ihren Besuchen dort immer wieder, wie Frauen, neben den körperlichen und seelischen Belastung nach einer Gewalterfahrung, auch noch ertragen müssen, dass sie von ihren Familien und der Dorfgemeinschaft ausgegrenzt und verstoßen und damit auch wirtschaftlich „erledigt“ werden. Rund 70 Prozent der Vergewaltigungsopfer werden aus ihrem Umfeld ausgeschlossen. „Seit ich vergewaltigt wurde, werde ich von den anderen nicht mehr als Mensch betrachtet“, erzählte ein Opfer. Ebenso wie die Opfer von Vergewaltigungen leiden auch die daraus resultierenden Kinder. Sie werden von Familie und Dorfgemeinschaft abgelehnt.
Außerdem berichtete Daniel Gierschmann, dass nun im Ostkongo eine noch stärker tabuisierte Tatsache langsam ans Licht kommt: immer mehr Männer werden Opfer von sexueller Gewalt und auch für sie ist ein Weiterleben in der Gemeinschaft unmöglich.
Problematisch für die Opfer sexueller Gewalt sei es auch, dass es keine rechtlichen Folgen für die Vergewaltiger habe. Zum einen fehlten die „Ankläger“, zum anderen behindere ein korruptes Rechtssystem meist, dass es irgendeine Art von Strafen für die Täter gäbe.
Kinshasa, die Hauptstadt des Kongos sei weit weg vom Ostkongo/Kivugebiet und damit seien die Gewalterfahrungen, die besonders diesen Teil des Staates beträfen, auch nicht im Blick der Regierung, hat Daniela Gierschmann erfahren.
Bestürzende Schicksalsberichte hatte Gierschmann zusammengetragen. Auf Einladung des „Synodalen Arbeitskreises für Frauenfragen“ des Evangelischen Kirchenkreises Altenkirchen war die Referentin in den Kreis Altenkirchen gekommen. Mitgebracht hatte sie neben den Berichten auch zahlreiche Bilder, die die Alltagssituationen von Frauen im Ostkongo dokumentierten, vor allem aber auch Bilder aus dem Gruppenleben, in denen sich Frauen untereinander stützen.
Besucherdelegation aus Muku eröffnete den Diskussionsprozess im Kirchenkreis
Als vor knapp zwei Jahren zum letzten Mal eine Delegation aus Muku den Kreis Altenkirchen besuchte (ein Gegenbesuch ist für 2012 in der Planung) erschütterten deren Berichte von den Gräueltaten und Gewaltaktionen an Frauen und Mädchen die hiesigen Partner. Wo kann Hilfe ansetzen? Wie kann man die Frauen unterstützen? Zur Klärung dieser Fragen beschloss die Kreissynode, sich intensiver mit der Thematik „Gewalt gegen Frauen im Kongo“ auseinanderzusetzen, mögliche Kooperationspartner in der Opferhilfe kennen zu lernen und Hilfsmöglichkeiten zu eruieren.
In einer Kooperationsveranstaltung des Synodalen Frauenkreises, der Evangelischen Erwachsenenbildung und des katholischen Bildungswerks Marienthal, der weitere folgen sollen, erfuhren die Besucherinnen nun, dass Hilfen für die Frauen im Kongo nur gelingen können, wenn es eine Zusammenarbeit mit lokale Kooperationspartner gibt.
Viele interessierte Gäste aus dem Kreis Altenkirchen waren nach Altenkirchen gekommen und ließen sich von Daniela Gierschmann über die schlimmen Lebensbedingungen von Frauen im Ostkongo informieren.
Die Größe des Kongos verhindere – im Gegensatz zu Bosnien, wo „medica mondiale“ Hilfezentren anbieten konnte, die für die Frauen erreichbar waren – solche „Schwerpunkthilfen“. Zudem, so Daniela Gierschmann, gebe es eigentlich keine einheimischen Ärztinnen und Psychologinnen, die in Hilfsstrukturen eingebunden werden können. Hilfreich sei dagegen die Ausbildung von Betreuerinnen, die im „Schneeballsystem“ geschult, den Opfern auch in den größeren Dörfern zur Seite stünden. Viele der Opfer von „sexueller Gewalt“ – nur zehn Prozent der Betroffenen wagen überhaupt von ihrem Leid zu sprechen – würden in den lokalen Hilfegruppen zum ersten Mal erfahren, dass sie mit ihrem Leid nicht allein seien. Ohne die Unterstützung seien die Frauen ganz allen auf sich gestellt. Sie müssen ums Überleben kämpfen. Hatten sie doch auf Grund des jahrelangen Krieges in der Region ohnehin schon kaum eine materielle Unterstützung, verlieren sie mit dem Ausscheiden aus ihrem Familienverbund eigentlich alles.
Neben praktischer Hilfe ist auch politisches Wirken gefragt
Unterstützungsangebote für die Frauen beziehen sich neben medizinischer und psychologischer Hilfen vor allem auf Rechtsbeistand, materielle Hilfen und dem Eröffnen von Ausbildungs-Chancen.
Hier könne Unterstützung aus dem Kreis Altenkirchen ansetzen. Darüber hinaus – so Daniela Gierschmann – gelte es sich politisch zu engagieren, damit die Schrecken der sexuellen Gewalt als Kriegswaffe stärker ins Bewusstsein rückten und eine internationale Ächtung erfahre. „Der Krieg im Kongo ist einer der schlimmsten Kriege weltweit und dieser „Krieg gegen Frauen“ verschwindet leider allzu oft aus den Schlagzeilen“, unterstrich Gierschmann.
In einer regen, dem Referat anschließenden Diskussion, tauschten sich die Besucherinnen untereinander und mit der Referentin über verschiedenste Hilfspakete aus. Christa Hillmer, die sich im Kreismisionsausschuss und darüber hinaus für Frauen in Muku engagiert, berichtete dabei von den Bemühungen der Frauenhilfe in Muku, die, unterstützt von den hiesigen Frauenhilfen, lokale Hilfsprojekte aufbaue.
Schon seit vielen Jahren gibt es im Kirchenkreis Altenkirchen neben den Krippefiguren, die von Frauen in Muku gefertigt wurden (meist aus Bananenblättern), auch andere figürliche Darstellungen, die das Leben in Muku abbilden. Aus diesen Darstellungen werden Fotos gemacht, die dann als Weihnachtskarten verkauft werden und der Erlös fließt in die Frauenarbeit in Muku.
Aus Bananenblättern fertigten die Frauen in Muku diese Frauenfiguren, aber auch weihnachtliche Krippendarstellungen. Fotos davon werden zu Weihnachtskarten gestaltet und hier im Kreis Altenkirchen verkauft. Der Erlös dieser Kartenaktion kommt der Frauenarbeit in Muku zugute.
Körperlich gestärkt von einem exzellenten Fingerfood-Büffet, das die Frauen aus der Gruppe „Interkultureller Garten Altenkirchen“ vorbereitet hatten, setzten die Besucherinnen ihre Zusammenkunft mit einer „Statio“ mit Texten und Musik in der Katholischen Kirche fort. Dort gab es neben gesitlichen auch künstlerische Impulse innerhalb der Ausstellung „Spero Lucem“ und Musik von der Kirchenband der Evangelischen Kirchengemeinde Altenkirchen.
Pfarrerin Marion Holzhüter, Vorsitzende des Synodalen Frauenausschusses, dankte allen Akteuren des Informationstages, darunter auch dem Büchereiteam der Kirchengemeinde Altenkirchen, das einen Büchertisch mit weiteren Informationen zusammengestellt hatten. PES.