Leitlinien bei sexueller Gewalt

Leitlinien zum Umgang mit sexualisierter Gewalt

Hilfen und klare Verfahrenswegen

Die vielfach bekannt gewordenen Fälle von sexuellem Missbrauch und Gewalt in kirchlichen Einrichtungen sorgen derzeit für erheblichen Diskussions- und Informationsbedarf.
Was passiert eigentlich in unserer Kirche mit Opfern und Tätern? Was muss ich machen, wenn ein Verdachtsfall auftritt?
Jüngst stellte die Landeskirche bei einer Pressekonferenz ihr Verfahren vor und eine Handreichung, die weiterhilft:
Seit dem Jahr 2003 gibt es in der EKiR ein verbindliches Verfahren für den Umgang mit Verdachtsfällen auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Dieses Verfahren sieht einerseits seelsorgliche, psychologische oder therapeutische Hilfe für die Opfer und andererseits die konsequente strafrechtliche und disziplinarische Verfolgung der Taten vor.
Schon 2004 erschien erstmals im Rheinland die Handreichung „Die Zeit heilt keineswegs alle Wunden“. Die Broschüre beantwortet alle Fragen zum Thema „sexualisierter Gewalt und Kirche“ und benennt AnsprechpartnerInnen und Hilfsmöglichkeiten. Nun wurde sie neu aufgelegt, aktualisiert und kann von allen, die Fragen haben, angefordert werden

Wichtig auch zu wissen: Die Beratungsstellen der EKiR – darunter natürlich auch die in Altenkirchen – bieten von sexualisierter Gewalt betroffenen Menschen die Möglichkeit zu Hilfe und vertraulicher Beratung.
„Sexualisierte Gewalt im Raum der Kirche“ ist ein Themenschwerpunkt. Roter Faden für den Umgang mit solchen Grenzverletzungen im Raum der Kirche ist eine Trennung der Verfahrenswege. Ansprechpartnerin für Betroffene von sexualisierter Gewalt ist die beratende Juristin des Frauenreferats. Sie behandelt alle Mitteilungen und Nachfragen streng vertraulich!
Nur auf Wunsch der Betroffenen vermittelt die beratende Juristin ein Gespräch mit kompetenten Beratungskräften. Ebenfalls auf Wunsch leitet sie Anschuldigungen an die zuständige Stelle weiter. Ausschließlich Informationen, die den Verdacht einer Straftat gegen Kinder und Jugendliche begründen, werden auf jeden Fall an die ermittelnde Juristin weiter geleitet.
Die möglichen juristischen Ermittlungen gegen Pfarrer und Pfarrerinnen laufen getrennt und liegen in anderen Händen. Zuständig hierfür ist die so genannte ermittelnde Juristin. Sie ist für die Durchführung aller disziplinarrechtlichen Verfahren im Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zuständig.
Sie verfolgt die Anschuldigungen, die ihr von der beratenden Juristin des Frauenreferates mitgeteilt werden. Das Ergebnis der Ermittlungen legt sie direkt dem Leitungsgremium des Landeskirchenamtes, dem Kollegium, zur Beratung vor. Die Erstattung einer Strafanzeige wird dort in jedem Einzelfall geprüft, sind Kinder betroffen, erfolgt sie obligatorisch.
Ansprechpartnerinnen:
Die beratende Juristin des Frauenreferates: Petra Hundhausen-Kelp, Telefon 0211/45 62-677, E-Mail petra.kelp@ekir-lka.de
Ermittelnde Juristin im Landeskirchenamt: Katja Wäller, Telefon: 0211/4562-349; E-Mail: Katja.Waeller@ekir-lka.de
Büro/Kontakt: Martina Heldmann, Telefon 0211/4562-360, E-Mail martina.heldmann@ekir-lka.de

Die Broschüre „Die Zeit heilt keineswegs alle Wunden – Leitlinien zum Umgang mit sexualisierter Gewalt“ steht auf www.ekir.de zum Download bereit. Sie kann auch bestellt werden: Martina Heldmann, Telefon 0211/45 62-360, E-Mail martina.heldmann@ekir-lka.de
Weitere Infos: www.kirchenkreis-altenkirchen.de oder www.ekir.de

Bitte nutzen Sie die o.g. Adressen und Telefonnummern. Die Ansprechpartnerinnen sind auch für Anfragen aus unserem Kirchenkreis zuständig!

Titel der Broschüre

In den vergangenen Tagen und Wochen haben sich neun Männer und Frauen gemeldet, die von körperlicher Gewalt und Erniedrigungen in kirchlichen Einrichtungen im Zuständigkeitsbereich der Evangelischen Kirche im Rheinland berichten. „Wir nehmen diese Schilderungen sehr ernst“, sagte Vizepräses Petra Bosse-Huber jüngst bei der Pressekonferenz in Düsseldorf.
Dabei sei es unerheblich, dass sich die Vorgänge bereits vor Jahrzehnten zugetragen haben: „Wir sind beschämt und entsetzt, dass solche Übergriffe offenbar auch in Einrichtungen im Bereich unserer Landeskirche und ihrer Diakonie stattgefunden haben. Wir bitten die Opfer um Verzeihung!“
Wer sein Amt oder seine Funktion in Kirche und Diakonie und die damit verbundene Macht und Autorität missbrauche und Menschen seelische und körperliche Gewalt angetan habe oder antue, verstoße gegen Gottes Gebote, gegen die Botschaft des Evangeliums und gegen den Auftrag der Kirche, so die Vizepräses: „Wer so handelt, lästert Gott und spottet der Menschen. Wer in der beschriebenen Form Gewalt ausübt, darf nicht erwarten, dass die evangelische Kirche auf diesem Auge blind ist oder tatenlos zusieht.“
Allerdings, so räumte Bosse Huber, enthielten die Berichte mitunter auch Vorwürfe, dass Mitarbeitende der Kirche nicht zu allen Zeiten auf seinerzeit möglicherweise vorgebrachte Hinweise adäquat reagiert hätten. Bosse-Huber wörtlich: „Wir gehen den Vorwürfen der Misshandlung und des Missbrauchs ebenso nach wie dem Verdacht der Vertuschung.“ Der lange zeitliche Abstand erschwere aber die Aufklärung, Verjährungsfristen machten strafrechtliche und disziplinarische Ahndung zumeist unmöglich.
Seit dem Jahr 2003 gibt es in der EKiR ein verbindliches Verfahren für den Umgang mit Verdachtsfällen auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Dieses Verfahren sieht einerseits seelsorgliche, psychologische oder therapeutische Hilfe für die Opfer und andererseits die konsequente strafrechtliche und disziplinarische Verfolgung der Taten vor.
Auch wenn dieses Verfahren auf Fälle ausgelegt sei, die noch nicht verjährt seien und somit heute noch geahndet werden können, stünden die Hilfsangebote auch Opfern zur Verfügung, die bereits von Jahrzehnten Erfahrungen von Gewalt und Erniedrigung machen mussten.
Zentrale Anlaufstelle ist die Juristin im Frauenreferat der rheinischen Kirche, Petra Hundhausen-Kelp (petra.kelp@ekir-lka.de, Telefon 0211/4562-677). Ihr steht ein multiprofessionelles Team zur Seite, das sich um die Opfer kümmert.
Die Leitungen der zehn Schulen und drei Internate in landeskirchlicher Trägerschaft sollen auch mit ehemaligen Mitarbeitenden sowie früheren SchülerInnen sprechen. Darauf hat der zuständige Leiter der Abteilung Bildung im Landeskirchenamt, Oberkirchenrat Klaus Eberl, hingewiesen: „Inzwischen hat sich ein ehemaliger Schüler eines unserer Internate, das heute nicht mehr existiert, mit entsprechenden Vorwürfen an uns und an eine Zeitung gewandt. Uns ist in diesem Zusammenhang an Offenheit und Transparenz gelegen. Das Wohlergehen der Opfer muss immer im Vordergrund stehen. Ich habe deshalb die Schul- und Internatsleitungen gebeten, dass diese mir unverzüglich mitteilen, wenn ihnen ein entsprechender Fall bekannt wird, damit das Landeskirchenamt die notwendigen Schritte einleiten kann.“
Die Schul- und Internatsleitungen, die Kollegien und Mitarbeitenden sollen nun ermitteln, ob es in der Vergangenheit Fälle sexuellen Missbrauchs oder Fälle so genannter „schwarzer Pädagogik“ in ihrer jeweiligen Schule oder ihrem Internat gab. Zu diesem Zweck sollen sie nach Eberls Angaben auch Kontakt zu ehemaligen Mitarbeitenden sowie Schülerinnen und Schülern aufnehmen, sofern sich dafür noch die Möglichkeit ergibt.
Gerade weil dieses Feld kirchlicher Arbeit von der Nähe zwischen Menschen lebe, dürfe es bei der Aufklärung solcher Taten kein Wenn und Aber geben, so Oberkirchenrat Eberl: „Die Seelsorge an Menschen und die pädagogische Arbeit mit Menschen leben beide von sozialer Beziehung der Beteiligten. Ohne Nähe, also ohne die Überbrückung von Distanz und ohne ein gewisses Maß an Vertrautheit, können beide kaum gelingen.“ Aber gerade Systeme, zu denen naturgemäß enge soziale Beziehungen gehören, sind nach den Erkenntnissen der Kriminalisten zugleich besonders anfällig für Übergriffe und den Missbrauch von Macht und Autorität. Dazu gehören Familien und ihr Umfeld; dazu gehören Bildungs- und Betreuungseinrichtungen ebenso wie Sportvereine und Gemeinden. „Weil uns das klar ist, müssen wir unserer Verantwortung gerecht werden“, so Klaus Eberl. (aus www.ekir.de)