Karfreitag ist auch ein Versöhnungsfest

Karfreitag 2021: haben wir nicht alle das Gefühl, dass wir schon seit einem Jahr nur noch Karfreitag haben? Für Gemeindepfarrer Eckhard Dierig (Kirchen) ist Karfreitag ein Tag der Versöhnung. Für den ehemaligen Superintendenten und dienstältesten evangelischen Gemeindepfarrer in unserem Kirchenkreis – seit 36 Jahren Pfarrer in Kirchen – ist es der letzte Karfreitag in seiner Dienstzeit. Im Sommer 2021 geht er in den Ruhestand. Dass gleich die letzten beiden Karfreitage und Ostern so ganz anders ablaufen würden, als über die Jahrzehnte üblich, konnte auch der Routinier nicht ahnen. Aber tatkräftig packte er die neuen Herausforderungen an. Digitale Gottesdienste wurden für ihn zum „neuen Alltag“ und Trostspendendes, Verkündigung und Nähe trotz Distanz in anderer Weise fest angepackt. So hat Eckhard Dierig – wie auch andere Pfarrerinnen und Pfarrer in unserem Kirchenkreis – seit über einem Jahr hunderte von Malen biblische Botschaften, Tröstendes und Anregendes in Texten und handgemachten Bildern in einen stetig gewachsenen WhatsApp-Verteiler gegeben. Weit über die eigene Gemeinde hinaus, brachte er so die Frohe Botschaft zu Menschen, die im täglichen Pandemie-Wirrwarr nach tragenden Antworten suchten.

Hier seine Gedanken zum Karfreitag mit den von ihm gemachten Bildern:

Karfreitag ist ein so genannter „stiller Feiertag“. In der Hektik unserer Zeit tut uns ein solcher Ruhetag gut, zumal der Buß- und Bettag schon vor einigen Jahren der Wirtschaft geopfert wurde. Zugegeben: In der momentanen Corona-Zeit ist ohnehin vieles an Aktivitäten in unserem Land heruntergefahren worden, aber sicherlich wird sich das irgendwann wieder ändern, auch wenn es wohl nie mehr ganz genau so werden wird wie früher.

Karfreitag ist deshalb ein ernster und stiller Tag, weil wir als Christinnen und Christen dann an das grausame Sterben Jesu denken und zugleich an alle Menschen, die unschuldig verfolgt, gefoltert und getötet werden. Und doch ist der Karfreitag zugleich auch ein Fest, und zwar ein „Versöhnungsfest“. Karfreitag bedeutet nämlich nicht weniger, als dass Gott die Menschen mit sich versöhnen möchte: Es ist gleichzeitig ein Friedensangebot, ein Friedensschluss und eben auch ein Friedens- und Versöhnungsfest: Keiner soll nach Gottes Willen mehr an seiner Schuld verzweifeln, keiner mehr so leiden wie der Gekreuzigte! Was könnte es Schöneres geben, als dass sich „Gottheit und Menschheit vereinen“ und „der Schöpfer uns Menschen so nahe kommt“, wie es in einem bekannten Choral heißt?! Denn da, wo Menschen mit Gott versöhnt sind, weil Christus alles hinweggenommen hat, was belasten könnte, da kann Versöhnung auch unter noch so unterschiedlichen Menschen geschehen.

Aber die Versöhnungstat Gottes ist nicht auf die Menschheit beschränkt. Auch wenn die Kirche das lange übersehen hat, schließt die Versöhnung Gottes die gesamte Schöpfung mit ein. Paulus schreibt einmal: „Die gesamte Schöpfung wartet sehnsüchtig darauf, von der Last der Vergänglichkeit befreit zu werden und an der Freiheit teilzuhaben, die den Kindern Gottes geschenkt wird.“ Lange Zeit hat man der Rechtfertigungslehre von Paulus zu Recht große Bedeutung beigemessen, seine Aussagen über die Schöpfung aber leider oft übersehen.

Versöhnung darf bei der außer-menschlichen Schöpfung nicht Halt machen, weder bei den geschredderten Küken, noch bei den abgeholzten Urwäldern noch …. noch …. und noch: Wie könnten wir uns über die Versöhnungstat Gottes freuen, wenn wir gleichzeitig seine einstmals so gute Schöpfung mit Füßen treten?!

Der nebenstehende Baum gleicht einem Kreuz, aber es ist nicht vollständig, denn einer seiner „Arme“ ist abgebrochen. Nicht einmal das Kreuz ist als Hoffnungsträger noch übriggeblieben, könnte man meinen. Und doch: Wenn ich auf meinen Balkon gehe, blicke ich auf das andere Kreuz (s.o.), das Gott mit Hilfe von Wind und Vögeln dorthin gepflanzt hat, das grüne Kreuz, das Leben bedeutet, so wie Karfreitag und natürlich auch Ostern Leben bedeuten für jeden, der an der Neuen Welt Gottes teilhaben will. Versöhnung ist ein wunderbares Geschenk, aber es ist zugleich ein Auftrag. Bei dessen Erfüllung hilft uns übrigens nicht ein leeres Grab, sondern die Beziehung zu dem Lebendigen, die uns alles Lebendige mit den Augen des liebenden Schöpfers ansehen lässt.

 

 

Andacht/Fotos: Eckhard Dierig