Harry Abraham besucht Altenkirchen: Eine Reise in die Vergangenheit

Harry Abraham, ein 86-jähriger US-Amerikaner aus Cleveland, Ohio, besuchte erneut die Stadt Altenkirchen, um die Geschichte seiner jüdischen Familie zu würdigen und die Erinnerungen an die Verfolgungen während der NS-Zeit wachzuhalten. Sechsmal hat er seit 1976 diese  Reise bereits angetreten, um den Spuren seiner Familie zu folgen. Harry Abrahams Vater, Albrecht Abraham, wurde 1900 in Altenkirchen geboren, seine Mutter Ida Rosenthal 1910 in Meiderich. Nach der Reichskristallnacht 1938, als Albrecht Abraham kurzzeitig im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert war, floh die Familie 1939 über Genua nach Shanghai. Dort lebten sie acht Jahre in einem Ghetto und arbeiteten in der Textilindustrie, bevor ihnen die Emigration in die USA gelang.

Martin Autschbach, Schulreferent des Evangelischen Kirchenkreises Altenkirchen und Experte für jüdisches Leben in Altenkirchen, organisierte ein umfangreiches Besuchsprogramm für Harry Abraham und seine Begleitung, Tochter Marcy Rosenthal und Schwiegersohn Dr. Edward Rosenthal. Zu den Stationen am Montag, dem 10. Juni, gehörten unter anderem die Gedenkstätte der ehemaligen Synagoge in der Frankfurter Straße, das Elternhaus in der Marktstraße oder das historische Quartier mit einem besonderen Fundstück: Eine bleiverglaste Scheibe, die vermutlich aus dem Thoraschrein der zerstörten Synagoge stammt. Außerdem wurde die Christuskirche besucht, in der Pfarrer Martin Göbler unter anderem über die Menora im Altarbild sprach und Kirchenmusiker Aljoschka Dippold  die Orgel präsentierte und auf besonderen Wunsch von Harry Abraham das anrührende „Bring Him Home“ aus dem Musical Les Miserables spielte, das als „Bring Them Home“ in Israel eine musikalische Hommage an die israelischen Geiseln ist, die seit dem 7. Oktober in Gaza festgehalten werden. 

Ralf Lindenpütz, der wiedergewählte Stadtbürgermeister von Altenkirchen, lud nicht nur zu einem Mittagessen und besuchte gemeinsam mit den Gästen den jüdischen Friedhof in der Kumpstraße, wo Abrahams Großeltern begraben liegen, sondern überreichte Harry Abraham auch eine Kopie seiner Geburtsurkunde, die von Sabine Rörig, Standesbeamtin der Verbandsgemeindeverwaltung Altenkirchen-Flammersfeld, beschafft wurde. Dabei unterstrich Lindenpütz die enorme Wichtigkeit der Erinnerungskultur – auch und gerade vor den aktuellen Wahlergebnissen.

Harry Abraham ist es wichtig, die Geschichte seiner Familie weiterzugeben. „Mein Vater hat mir immer wieder unsere Familiengeschichte erzählt. Es ist mir wichtig, sie lebendig zu halten“, erklärte er. Die Reichskristallnacht betrachtet er als Wendepunkt, weil „schon damals niemand eingeschritten ist“. Seine Botschaft ist klar: „Vergesst nicht die Vergangenheit!“