Gottes Schöpfung wird gefeiert
Auch in diesem Jahr steht das Erntedankfest bei uns im Kirchenkreis wieder unter den besonderen Bedingungen eine Pandemie. Zwar „geht“ schon mehr wie im Vorjahr, aber so ein richtiges ausgelassenes Fest mit vielen Menschen, die sich ohne Abstand begegnen, viele fröhliche Lieder singen, Vokal- und Bläserchöre, Kinder- und Konfi-Gruppe in einer proppenvollen Kirche – das klappt noch nicht…Dennoch geben die Gemeinden den Raum fürs Danken und bieten Gottesdienste am Sonntag an. In diesem Jahr fällt auch der „Tag der Deutschen Einheit“ mit dem Erntedankfest zusammen.
„Unser tägliches Brot gib uns heute“
Mit dem Erntedankfest erinnern Christen an den engen Zusammenhang von Mensch und Natur. Gott für die Ernte zu danken, gehörte zu allen Zeiten zu den religiösen Grundbedürfnissen. Traditionell werden in den Kirchengemeinden die Altäre zum Abschluss der Ernte mit Feldfrüchten festlich geschmückt. Termin für Erntedank ist in der Regel der erste Sonntag im Oktober. Mit der Bitte des Vaterunsers „unser tägliches Brot gib uns heute“ wird zugleich an die katastrophale Ernährungssituation in den ärmsten Ländern der Erde erinnert. Im christlichen Verständnis gehören das Danken und Teilen zusammen. Erntedank-Gottesdienste sind daher oft mit einer Solidaritätsaktion zugunsten notleidender Menschen verbunden.
In diesem Jahr wird am 3. Oktober in unseren Gemeinden das traditionelle Erntedankfest gefeiert. Je nach Tradition und örtlichen Möglichkeiten mit Erntekränzen, Gaben und reichem Altarschmuck, besonderen Liedern und Freude über den Erntesegen des Jahres.
Der Rückgang der Landwirtschaft auch in unserer Region ist verbunden mit einem alltäglichen „Erlebnisverlust“ von Säen und Ernten. Und dennoch ist im Westerwald ein stärkeres Bewusstsein für „Erntesegen“ vorhanden, als vielleicht in industriell geprägten Regionen.
Die Kirchen sind oft geschmückt mit Obst, Gemüse und anderen Lebensmitteln, die von Gemeindegliedern gespendet werden.
Dank an Gott für eine reiche Ernte. Die Feste erinnern daran, dass dies – auch heutzutage und in manchen Teilen der Welt – keine Selbstverständlichkeit ist.
In den Erntedankgottesdiensten drücken Christen ihre Dankbarkeit für ihr „tägliches Brot“ aus und erinnern an den engen Zusammenhang zwischen Mensch und Natur. Der Mensch ist Teil der Schöpfung und es liegt nicht allein in seiner Hand über ausreichend Nahrung zu verfügen. Deshalb ist das Erntedankfest ein Fest der Freude.
Auch Kindern wird aus Anlass des Erntedankfestes die Bedeutung der Zyklen des Jahreslaufes und der Nahrungsproduktion, die heute vielen nicht mehr bekannt sind, gut vermittelt.
Die Not anderer in den Blick nehmen
Aber auch auf die notleidenden Menschen in den ärmsten Ländern der Welt wird vielerorts aufmerksam gemacht und neben dem Danken auch das Teilen angemahnt. Die Kollekte des Erntedankfestes ist in diesem Jahr für diakonische Projekte von Gemeinden und Werken im Rheinland bestimmt. Wer nicht an den Gottesdiensten teilnehmen möchte, kann die Kollekte auch – wie an jedem Sonntag – online spenden. Zur Online-Kollekte geht’s HIER
Rheinischer Präses versteht Danken als Lebenszeichen
Für den Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Dr. Thorsten Latzel, gibt es gute Gründe zu danken – auch in schwierigen Zeiten. Wer danke, finde Frieden in sich selbst. Latzel wirft in einem Theologischen Impuls zu Erntedank die Frage auf: „Wie feiert man eigentlich Erntedank, wenn es keine Ernte zum Danken gibt?“ Der Präses der rheinischen Kirche erinnert dabei an die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz in diesem Sommer und an Dürren in diesem und anderen Teilen der Welt. Für Latzel gibt es jedoch auch in diesen Zeiten gleich mehrere Gründe zur Dankbarkeit.
Der Dank als Lebenszeichen in Zeiten von Flut und Dürre
„Christlich danken heißt, dass ich mein Leben als Antwort verstehe“, schreibt Präses Latzel in Anlehnung an den Theologen Friedrich Schleiermacher. Wer danke, der mache sich klar, dass er oder sie kein Zufallsprodukt ist, sondern eine Gabe Gottes. In Zeiten von Dürre und Flut liege im Dank auch die Erkenntnis, „dass ich bin und nicht ‚nicht bin‘“, schreibt Dr. Thorsten Latzel. So sei der Dank auch als Lebenszeichen zu verstehen.
Dankbarkeit für kleine selige Momente
Neben dem großen Lebenszeichen sieht der Theologe an Erntedank aber auch die Möglichkeit für Dankbarkeit in kleinen, aber entscheidenden Momenten. Ihm sei eine Andacht der Pfarrerin Maren Vanessa Kluge aus Trier-Ehrang kurz nach der Flutkatastrophe in Erinnerung geblieben. Kluge berichtete darin über kleine selige Momente nach der Flutkatastrophe: zum Beispiel über einen Ehering, den ein älterer Mann verloren hatte und den Helfer im Schlamm wiederfanden. Die Ehefrau konnte ihn ihrem Mann schließlich erneut anstecken. Für solche seligen Momente könne man auch dankbar sein, so Latzel.
Neben Erntedank braucht es auch Missernteklage
Trotz allem Grund zur Dankbarkeit gebe es aber auch gute Argumente für Klagen. „Es braucht neben dem Erntedank auch die Missernteklage“, schreibt der rheinische Präses. Beides schließe sich nicht aus. Und man müsse Menschen gerade auch an Erntedank ernst nehmen, wenn sie in Anlehnung an den Ausspruch „Ich kann nicht klagen“ sagten: „Ich kann nicht danken.“
Das Erntedankfest wurzelt tief
Die Wurzeln des Festes liegen weit zurück: Das Erntedankfest gab es schon in vorchristlicher Zeit. Ein kirchliches Erntedankfest ist seit dem 3. Jahrhundert belegt. Gott für die Ernte zu danken, gehörte zu allen Zeiten zu den religiösen Grundbedürfnissen des Menschen.
Fotos: Kirchenkreis Altenkirchen/Archiv Kirchenkreis
Texte: Kirchenkreis Altenkirchen und EKiR.de