Gottes „Ja“ steht über jedem Leben

Das Verbot der geschäftsmäßigen Hilfe zur Selbsttötung wurde vom Bundesverfassungsgericht gekippt: „Der Staat darf organisierte Hilfe beim Suizid nicht verbieten – Der Mensch hat das Recht und die Freiheit, sich das Leben zu nehmen – auch mit Hilfe von Dritten.“

Ebenso wie viele anderen kirchlichen Vertreter*innen reagierte Superintendentin Andrea Aufderheide besorgt auf dieses Urteil:

Es berührt und besorgt mich, dass das Verbot der organisierten Beihilfe zum Suizid aufgehoben wurde. Ich bedaure dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts, denn die Menschlichkeit und Stärke einer Gesellschaft zeigen sich darin, wie sie mit ihren schwächsten Gliedern umgeht: mit alten Menschen, mit Kranken und Pflegebedürftigen und mit Sterbenden. Als Theologin vermag ich die Auswirkungen des Urteils für unser gesellschaftliches Miteinander, für unsere ‚Wertschätzung von Leben‘ bei weitem noch nicht in all seinen Facetten abzuschätzen.

Ich teile uneingeschränkt die Haltung des Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski:‘ Unsere Menschenwürde liegt in unserer Gottesebenbildlichkeit und nicht ausschließlich in der Fähigkeit, unser Leben selbst zu bestimmen!‘ – und hoffe wie er , dass der Gesetzgeber das Urteil zum Anlass nimmt, Sterbehilfe als Geschäftsmodell zu unterbinden und eine gute palliativmedizinische Versorgung und eine ärztliche Begleitung am Lebensende für jeden Menschen zu ermöglichen.

Ich weiß sehr wohl, dass Menschen angesichts schwerer gesundheitlicher Belastungen, ohne Hoffnung auf Genesung und ohne Hoffnung, dass ihr Leben sich ganzheitlich wieder zum Positiven wendet, sich in einem Zustand erleben, in dem Gefühle von Sinnlosigkeit und Hilflosigkeit als unerträglich empfunden werden. Diese Menschen streben als ‚letzten Ausweg‘ ein schnelles Ende ihres Leidens an und wollen diesen Zielpunkt ungehindert erreichen. Vielfach möchten sie sich dabei medizinisch-fachlich begleitet sehen. Es steht uns nicht an, das zu kritisieren.

„Seelsorge muss respektieren, wenn ein Mensch sein Leiden nicht länger ertragen will, aber sie darf den anderen nicht aufgeben, sondern sollte unablässig nach Hoffnung in aller Hoffnungslosigkeit suchen!‘  Seelsorge in den scheinbar ausweglosen Situationen – auch angesichts von Suizidwünschen – muss für mich präventiv, begleitend und für alle Betroffenen nachsorgend tätig sein!“  In dieser Weise haben wir uns als Landessynode der Ev. Kirche im Rheinland schon im Jahr 2014 bei den Beratungen zur Handreichung: „Niemand nimmt sich gern das Leben“ – Seelsorgliche Begleitung im Zusammenhang mit Suizid“ eindeutig positioniert.

Das gilt daher auch heute noch für mich unverändert: Wir sind gefordert in unserer Sensibilität und Einsicht in die Zerbrechlichkeit menschlichen Lebens, in unserer Begleitung und im Aushalten von scheinbar unaushaltbaren Situationen, in die Gott uns helfend hineinstellt, dass wir Leben bis zuletzt unterstützen, weil Gottes Ja über jedem Leben steht. Unsere Aufgabe sehe ich darum vorrangig in der seelsorglichen Begleitung von Menschen im Leben und im Sterben sowie im Engagement dafür, dass die palliativmedizinische Betreuung in unserem Land ausgebaut wird und die wichtige Arbeit, die hier wie auch in Hospizen und anderen pflegenden Einrichtungen geschieht, mehr öffentliche Anerkennung und finanzielle Förderung erfährt.

Die in diesen verantwortungsvollen Bereichen Beschäftigten leisten einen unverzichtbaren und wertvollen Dienst für unser Gemeinwesen und für die ihnen anvertrauten Menschen, und sie verdienen deshalb unseren allergrößten Respekt.“