Es gibt keine Patentlösungen für den geschundenen Wald

An den trostlosen Anblick von einst prachtvollen Waldarealen unserer Heimat gewöhnt man sich nur schwer. Mehr als 80 Prozent aller Bäume sind bundesweit schon krank und Millionen – insbesondere Fichten – bereits abgestorben.

Wie kann es weiter gehen mit den Kahlflächen in Westerwald und Siegerland? Aufforsten oder auf Naturverjüngung setzen? Was bedeuten die derzeitigen Kahlstellen für den Boden und das Klima? Wie viele Insekten und Tieren verlieren dadurch ihren Lebensraum oder gewinnen gar einige auch neue Biotope? Welche „Zukunftsbäume“ gibt es für die Region? Was haben wir aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und wie können wir den neuen Herausforderungen entgegentreten? Und aktuell: was brauchen wir an gesunden Waldflächen zur Regulierung von Wasser?

Viele dieser Fragen bewegen die Menschen, aber auch insbesondere die Waldbesitzer. Der Evangelische Kirchenkreis Altenkirchen selbst hat keinen Waldbesitz, allerdings einzelne Gemeinden besitzen Wald, verstärkt im Oberkreis. Knapp 100 Hektar sind es insgesamt. Diese Flächen werden von den staatlichen Forstämtern mitbetreut. Verwaltet werden sie von den Gemeinden selbst, teils auch in Kooperation mit den katholischen Kirchengemeinden. So verfügt die Kirchengemeinde Freusburg über zehn Hektar eines 20-Hektar-Simultanwaldes, und auch Gebhardshain hat zehn Hektar im Simultanwald. Er wird von der katholischen Gemeinde mitverwaltet.

So war es eine gute Idee des kreiskirchlichen Ausschusses für Umwelt, Mitwelt und Bewahrung der Schöpfung im Kirchenkreis Altenkirchen, sich mal im Gebhardshainer Simultanwald genauer umzuschauen. Vorbereitet hatte diese Waldbegehung Ausschussmitglied Georg Weyer (Dipl. Ing. Landespflege). Neben den Ausschussmitgliedern und Gemeindepfarrer Michael Straka waren auch kompetente Vertreter der katholischen Kirchengemeinde St. Maria Magdalena (Gebhardshain) dabei und vor allem auch Revierförster Ralf Hoss. In seinem Zuständigkeitsbereich liegt der gemeinsame Kirchenwald der beiden Gemeinden.

Der erfahrene Förster führte die Gruppe in verschiedene Waldbereiche und machte gezielt dort auf die Besonderheiten und Herausforderungen aufmerksam. „Den Wald gibt es nicht!“, unterstrich er mehrfach. Jedes Waldstück, jede Kleinfläche muss gesondert in den Blick genommen werden.

Manche, sicherlich sinnvollen Lösungsansätze für zukunftsfähige Bepflanzungen – „30 Prozent heimische Arten, 30 Prozent „Exoten“ mit wenig Durst, …“ -passen zielgenau in bestimmten Arealen, aber schon in der Nachbarschafts-lage muss anders gedacht werden.

An manchen Stellen hätte sich bereits so viel neues (Baum-/Strauch-) Leben entwickelt, dass dort erst mal – auch angesichts der Vielfalt an Arbeiten – abgewartet werden könne. An anderer Stelle müssten die Waldbesitzer schnell ran und agieren: sonst drohen Brombeeren, Farn und andere Pflanzen alles zu überwuchern.

Andernorts wiederum haben einige einzelne Fichten der Trockenheit und dem Borkenkäfer getrotzt; ein Stückchen weiter haben sich auf Flächen, die vor einigen Jahren bereits vielfältiger aufgepflanzt worden waren, schon neue Lebensgemeinschaften gebildet und könnten zukunftsfähig sein…

Ist es vielleicht in manchen Bereichen sinnvoller, in bereits größere Bäume zu investieren und so einen guten Wald-Lebensraum zu schaffen?

Welche neuen Bäume sind auch in vielen Jahren noch klimaresistent? Auch Förster Ralf Hoss hat nicht die berühmte Glaskugel. Er verfolgt sehr genau die Erkenntnisse und Prüfungen an anderer Stelle und versucht, an seinem „Waldpuzzle“ weiterzudenken.
Vielfach gibt es die gepriesenen „Wunderbäume“ – u.a. soll die Weißtanne gut zu den klimatischen Bedingungen des Westerwaldes passen. Aber auch bei den gepriesenen Wunderbäumen tauchen Fragen auf: Gibt es rechtzeitig und ausreichend Saat- und Pflanzgut? Brauchen manche der Wunderbäume einen Pflegeaufwand in der Kinderstube, der angesichts der vielen Kahlstellen und personeller Ressourcen gar nicht leistbar wäre?

„Es kann aber auch nicht die Lösung sein, dass wir künftig nur noch einen ökologischen Blick auf den Wald legen“, mahnte der Forstfachmann an. Angesichts des weiterhin heimischen großen Bedarfes an Holz, der noch ansteigen könne, müsse auch die Wertschöpfung und die Holzproduktion im Blick bleiben, unterstrich er.

Der frei entwickelte Ökowald vor der Haustür dürfe auch mit Blick auf die gesamte Naturverantwortung nicht dazu führen, dass künftig der „Holzhunger“ mit Importen aus anderen Ländern gestillt werde. „Die dortigen Abholzungen und die klimaschädlichen Transporte rund um den Erdball schaden global Mensch und Natur und sind keine Alternative!“

Einige der Ausschussmitglieder und ihre Gäste – darunter Gemeindepfarrer Michael Straka (rechts) im Vorfeld der Waldbegehung.

An einigen Stellen sieht das Waldfreund Georg Weyer anders. Für ihn gibt es keine „Wunderbäume“, und die Aufforstung der großen Kahlflächen mit Baumarten, die nach 30 Jahren schon erste Erträge bringen, wie man es von der Fichte gewöhnt war, sieht er angesichts des Klimawandels in den gemäßigten Breiten nicht.

„Bei den Exoten wie Baumhasel, Küstentanne und Co. weiß man noch gar nicht, ob sie überhaupt großflächig kompatibel mit den in unserer Region beheimateten Organismen (bestäubende Insekten, zersetzende Kerbtiere und Bodenpilze, u.a.) sind!“

Die aufkommenden Schlagfluren, „u. a. mit Brombeeren“, sind für den Umweltschützer aus landschaftsökologischer Sicht wichtig, schützten sie doch den Waldboden und bildeten bereits ein Initial des zukünftigen Waldes.

„Zusammen mit den teilweise schon sichtbaren Vorwaldbäumen, wie z. B. der Birke, bereiten sie die Standorte für einen zukunftsfähigen Wald vor. Hilfreich kann es für ihn durchaus sein, lichtbedüftige Waldbäume jetzt schon einzubringen oder in Gruppen aufzuforsten.

„Die heimische Traubeneiche ist eine solche Art, die auch auf exponierten Freiflächen durchaus gefördert werden sollte“, unterstreicht Georg Weyer. Im Schatten des Vorwaldes und der Eichen können dann zeitversetzt anspruchsvolle und in der Jugend gerne im Schatten von Altbäumen stehende Baumarten gedeihen, welche dann den zukünftigen Kernbestand eines stabilen und biodiversen Mischwaldes darstellen.

Aus landschaftsökologischer Sicht sieht Georg Weyer im Westerwald und Siegerland hier die Rotbuche nach wie vor als hauptsächlich bestandsbildende Art. Auch Winterlinde und Ahornarten wären je nach Standortsituation opportun. Als heimische Nadelholzbaumart könnte aus seiner Sicht künftig die Weißtanne durchaus (wieder) eine Rolle spielen. Angesichts der verlängerten Vegetationsperioden und der durchschnittlichen Jahrestemperatur könnten auf geeigneten Standorten Etablierungsversuche mit Baumarten aus wärmeren Klimazonen Mitteleuropas denkbar sein, etwa Elsbeere, Speierling oder Esskastanie.

Für den Gebhardshainer Wald will Ausschussmitglied Georg Weyer den Verantwortlichen in den beiden Kirchengemeinden einige Handlungsempfehlungen mit auf den Weg geben. In jedem Fall soll auch der Austausch mit den Forstleuten weiter gepflegt und auch überlegt werden, wie mit besonderen Projekten vielleicht Menschen vor Ort in den Gemeinden in die Aktionen für „ihren Wald“ vor der Haustür eingebunden werden können: z. B. durch Patenschaften, Anpflanzaktionen, Angebote für Kinder und Jugendliche, Baumspenden und weitere hilfreiche Aktionen.

Wie Förster Hoss nach dem Ausschuss-Treffen mitteilte, ist mittlerweile eine Flächenaufnahme innerhalb des Kirchenwaldes erfolgt und ein Förderantrag für die Wiederbewaldung einer Teilfläche (rund 0,44 Hektar) mit Traubeneiche, Elsbeere und Weißtanne auf dem Weg.

„Es gibt keine Patentrezepte und auch keinen Masterplan, aber wir brauchen die Vielfalt – an Bäumen und Ideen“, unterstrich Petra Stroh, Vorsitzende des kreiskirchlichen Ausschusses angesichts der großen Herausforderungen. Sie dankte allen, die sich mit auf den Weg in den Wald gemacht haben und ihr Herz für dessen Zukunft öffnen.

Alle Bilder: KK-Altenkirchen/ Petra Stroh