Die Kinder im Blick behalten
Seit fast 30 Jahren ist der Name von Dirk Bernsdorff im Kreis Altenkirchen mit der Suchtprävention und vor allem durch die Arbeit für und mit Kindern aus suchtbelasteten Familien verbunden. Zum 1. März geht der Präventionsfachmann des Diakonischen Werkes unseres Kirchenkreises in den Ruhestand.
Als Dirk Bernsdorff – ausgebildet als Gymnasiallehrer und in therapeutischer Gruppenleitung – Ende der achtziger Jahre im Raum Altenkirchen mit der „Suchtprävention in der Provinz“ startete, gab es in diesem Arbeitsbereich noch viel Entwicklungspotential. Da, wo es immerhin Hilfen für suchtkranke Menschen gab, fehlte noch völlig der Blick darauf, dass die Menschen im Umfeld eines Suchtkranken auch dringend Unterstützung brauchen.
Dass die in Altenkirchen durch Dirk Bernsdorff begonnene Arbeit mit Kindern aus suchtmittel-belasteten Familien mal modellhaft für ganz Rheinland-Pfalz werden würde, ließ sich in den Anfangsjahren noch nicht erahnen. „Rund drei Millionen Kinder wachsen bundesweit in Familien mit Suchtproblemen auf“, schätzt Bernsdorff. Wie sehr diese Kinder unter ihrer familiären Situation leiden und in ihrer eigenen Entwicklung gehemmt werden, wurde für Dirk Bernsdorff schon früh in seiner Präventionsarbeit deutlich. „Viele suchtkranke Menschen erzählten, dass sie schon durch ihr Elternhaus in ihrem Suchtverhalten geprägt wurden“.
Auch bei den Suchtpräventions-Angeboten in heimischen Schulen kam der Bedarf immer mehr zum Vorschein und Dirk Bernsdorff enzwickelte stetig Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche.
Altenkirchen wurde zum Hotspot
Im Land Rheinland-Pfalz wurde 1996 ein Modellprojekt mit dem sperrigen Namen „Prävention und Frühintervention bei Kindern aus suchtbelasteten Multiproblem-Familien“ gestartet. Und Altenkirchen wurde damit zum „Hotspot“: Das Diakonische Werk bewarb sich für das Modellprojekt, das wissenschaftlich begleitet wurde. Im Kreis Altenkirchen wurden Bestandaufnahmen gemacht und Fachkräfte geschult. Inmitten der Projektphase (1996-2001) kamen 1999 bei einer große Fachtagung in Altenkirchen (Landjugendakademie), zahlreiche Fachleute aus ganz Deutschland zusammen. Deutlich wurde hier, dass es zwar überall in der Republik vereinzelte Projekte gab, aber ein „rote Faden“ und Austausch fehlten.
Durch die wissenschaftlichen Publikationen im Nachgang wurde doch schließlich bundesweit die Politik aufmerksam, allerorten starteten Initiativen und Dirk Bernsdorff wurde mit seinem Fach- und Erfahrungswissen ein gefragter Referent und Ratgeber.
„Noch immer keine konsequente Unterstützung“
Seine Fortbildungen sorgten dafür, dass zunächst landesweit und später auch bundesweit der Blick jenseits der Hilfsangebote für Suchtkranke auch auf deren Familien und vor allem die Kinder und Jugendlichen gerichtet wurde. „Das Thema ist zwar heute in der Gesellschaft angekommen, aber es fehlt immer noch vielerorts an konsequenter Umsetzung“, bedauert Bernsdorff. Projektförderung geschieht für ihn noch viel zu häufig auf unsicherer finanzieller Basis, gehemmt durch zu kurze Projekt-Förderung und Abhängigkeiten von schwankenden Spendengaben.
Seit 27 Jahren ist Dirk Bernsdorff auch landesweit eine Institution in der Arbeit mit Kindern aus suchtmittel-belasteten Familien. 2010 brachte er seinen reichhaltigen Erfahrungsschatz bei dem bundesweiten Projekt „Trampolin – „Wir helfen Kinder stark zu machen“ ein. Foto: Archiv/Kirchenkreis
Kindergruppen wuchsen stetig nach
Vor Ort hat Dirk Bernsdorff die Unterstützung für Kinder aus suchtmittel-belastetsten Familien über Jahrzehnte hinweg ganz praktisch angepackt. Nachdem schon zu Beginn der neunziger Jahre eine suchtkranke Mutter ihm die Probleme ihres siebenjährigen Sohnes geschildert hatte und auch in der Arbeit mit Pflegefamilien, die Kinder aus suchtkranken Familien betreuten, der Unterstützungsbedarf deutlich wurde, begann sich eine erste Kindergruppe „Das sind wir“ zu formieren.
Zunächst trafen sich die Grundschulkinder im wenig kindgerechten Umfeld des „Haus der Evangelischen Kirche“, zogen dann um in passendere KITA-Räume. Aber ganz häufig waren die Kindergruppen sowieso draußen unterwegs. Das Spielen und Toben in der Natur bereicherte und bescherte den Kindern neue Perspektiven und Freiräume. Immer wieder entstanden so neue Kindergruppen und Dirk Bernsdorff bekommt von ehemaligen Gruppen-Kindern, die teils heute selbst schon Eltern sind, positive Rückmeldungen: „Besonders ist, dass die Kinder gelernt haben, dass man sich bei Problemen Hilfe holen kann und darf“.
Neben den mittlerweile traditionellen Kindergruppen gab es auch 2010 eine Extragruppe innerhalb eines bundesweiten Projektes „Trampolin“. 2008 entstand zudem eine regionale „Angehörigengruppe“ die sich regelmäßig monatlich trifft und mittlerweile um Seminarangebote erweitert wurde; seit Ende 2017 gibt es eine solche Gruppe auch in Hamm (Teehaus).
Außerdem – lange bevor Schulsozialarbeit fest etabliert war, setzte Dirk Bernsdorff auf Fortbildungsangebote für Lehrer und auch auf Kooperationsprojekte in den Schulen. „Die Kinder mit ihren Bedürfnissen werden immer noch häufig übersehen. Die Suchtkranken stehen im Mittelpunkt, aber ihre Kinder, die manchmal sehr auffällig, aber in der Regel sehr „leise und angepasst“ teils sogar sehr engagiert auftraten, geraten noch zu häufig aus dem Blick!“
„Am Thema dranbleiben!“
„Man muss am Thema dranbleiben“ fordert Bernsdorff von den politischen Handelnden ein. Bei bundesweit geschätzten sechs Millionen Kindern, die aus suchtmittel-gefährdeten, aber auch immer stärker aus durch psychische Krankheiten gebeutelten Elternhäuser kommen, sieht er großen Handlungsbedarf. Er selbst will auch im Ruhestand „dranbleiben“. Und ehrenamtlich „seine Kinder“ und sein „einzigartiges Kind“ innerhalb der Suchtprävention begleiten. PES.
Auch im Ruhestand will sich Dirk Bernsdorff von der Arbeitsstelle „Suchtprävention“ im Diakonischen Werk es Evangelischen Kirchenkreises Altenkirchen weiter dafür einsetzen, dass bei aller Sorge um suchtmittelkranke Menschen deren Angehörigen und hier vor allem die Kinder, nicht aus dem Blick geraten. Sein „Lebenswerk“ liegt ihm weiter am Herzen. Fotos: Petra Stroh