„Stets an der Seite ratssuchender Menschen“

40 Jahre Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Kirchenkreis

Für die gute professionelle Arbeit wurden die Mitarbeitenden der Beratungsstelle bei Geburtstagsfest unisono gelobt und bedankt. Aktuell sind im Stadthallenweg in Altenkirchen und der Zweigstelle in Betzdorf dabei.
(v.l). Ute Schwiemann (Sekretariat), Brigitte Benner, Nicole Best, Antje Daub-König, Marion Zeidler und Wolfgang Fanter. Fotos: Petra Stroh

 

Seit 1973 – also seit 40 Jahren – gibt es im Evangelischen Kirchenkreis Altenkirchen eine „Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene“. Solch einen „langen Namen“ hatte sie noch nicht bei ihrer Gründung in den 70ger Jahren, ebenso zwei Standorte. Vieles hat sich den 40 Jahren der Tätigkeit gewandelt. Wolfgang Fanter, Diplom-Psychologe und Leiter der kreiskirchlichen Beratungsstelle, skizzierte bei den Feierlichkeiten zum Jubiläum im „Forum“ in Altenkirchen nicht nur die Entwicklung der kirchlichen Beratungsarbeit, sondern zeigte kaleidoskopmäßig auch die rasante gesellschaftliche Entwicklung auf, die die Beratungsarbeit immer wieder vor neue Herausforderungen stellt(e).

Gerieten in den friedensbewegten Zeiten der 1970ziger Jahre etwa Fragen nach „Kriegsspielzeug in Kinderzimmern“, später dann der zunehmende Fernsehkonsum und sein Einfluss auf das familiäre Miteinander in den Blick ratsuchender Eltern, so „wirbeln“ heute der Umgang mit sozialen Netzwerken oder „zeitfressende“ Computerspiele und -nutzungen Familien durcheinander. Veränderte Familienstrukturen und gesellschaftliche Veränderungen verlangen nach immer mehr persönlichen Beratungen und Hilfestellungen.

 

Bei der Jubiläumsfeierlichkeit in Altenkirchen verriet Pfarrer und Diplompsychologe Edwin Jabs, Leiter der Evangelischen Hauptstelle für Familien- und Lebensberatung aus Düsseldorf, dass trotzdem zunehmender Herausforderung auch „Freude in der Beratung“  liegen kann und Kreiskantor Alexander Kuhlo setzte musikalisch auf „Jazz und Musicalklänge“.

 

Verunsicherung belastete und belastet Familien

Seit 1973 besteht die Beratungsstelle, die sich als eigenständige Institution mit beraterisch-therapeutischem Profil aus dem Diakonischen Werk heraus entwickelt hat. Hintergrund ihres Entstehens waren die gesellschaftlichen Entwicklungen der Zeit. „Das Aufkommen der antiautoritären Erziehung, die Studentenrevolte und die Entstehung einer  Protesthaltung führten in vielen Familien zu einer allgemeinen Verunsicherung u. a. auch in Erziehungsfragen.  Offenkundig gewordene Erziehungsschwierigkeiten und -probleme  ließen  sich  mit  dem  Insistieren  auf  eine  zum  Teil  überkommene  und fragwürdige elterliche Autorität nicht mehr lösen“, erläuterte Leiter Wolfgang Fanter die damalige Gedanken der hiesigen Gründer.

Damals war der Ruf nach  neuen  Möglichkeiten  der  elterlichen  Erziehung  und Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche laut geworden. Die Verantwortlichen im Kreis und in den Kirchen erkannten die Notwendigkeit der Gründung einer Erziehungsberatungsstelle. Nachdem Pläne, eine ökumenische Beratungsstelle einzurichten, nicht zu realisieren waren, entstand im Oberkreis eine Beratungsstelle in katholischer und im Unterkreis eine Beratungsstelle in evangelischer Trägerschaft.

Das  Angebot  der  Erziehungs-,  Ehe-,  Paar-  und  Lebensberatung  wurde  und wird von  den Menschen der Region gut angenommen. Aufgrund kontinuierlich gestiegener Fallzahlen wurde die Beratungsstelle im Laufe der Jahrzehnte personell stetig erweitert.

 

An zweiten Standorten – Hauptstelle in Altenkirchen  und die Außenstelle in Betzdorf (Beratungsstelle für Schwangerschaftskonfliktberatung, soziale Beratung schwangerer Frauen, Familienplanung und Sexualpädagogik) – arbeitet das Team. Man kooperiert und  ist  vielfältig  vernetzt  mit  den  unterschiedlichsten  pädagogischen,  sozialen, psychologischen, medizinischen, psychotherapeutischen und kirchlichen Institutionen innerhalb und außerhalb des Landkreises Altenkirchen. Von daher konnte Wolfgang Fanter aus all diesen Bereichen auch Gäste zum Jubiläumsfest begrüßen.

 

Wolfgang Fanter, Leiter der Beratungsstelle, gehört seit 33 Jahren zum Team und begrüßte viele Gäste zum Jubiläumsfest.

 

Viele Gäste freuten sich mit

Aus dem Kreis der Beteiligten, dem Kirchenkreis, Landeskirche, Kommunen, Netzwerkpartner (u.a. Schulen und Kindergärten), ehemaligen und aktiven Haupt- und Ehrenamtlichen, der Mitarbeitervertretung und vielen anderen Begleitern der Arbeit kamen Glückwünsche zum Jubiläum, viele anerkennende Dankesworte für die bisher von der Beratungsstelle geleistete Arbeit und Aufmunterndes für die Zukunft wurde ausgesprochen. 

Synodalassessor Pfarrer Marcus Tesch

Synodalassessor Pfarrer Marcus Tesch, der in Vertretung der erkrankten Superintendentin Andrea Aufderheide sprach, verdeutlichte, dass heute viel „Ungewisses“ die Menschen belaste. „Ausgetretene Pfade“ habe man  verlassen und Neues gewagt. Vieles sei in den vergangenen 40 Jahren  freier und individueller geworden, damit aber auch komplizierter. „Selbst Senioren mit ihren vielfältigen Lebenserfahrung brauchen heute guten Rat in sich wandelnden Zeiten!“

Die kirchliche Beratungsarbeit  sieht er als „gute Ratgeber an der Seite der Menschen“. Sie „gesellt sich dazu, begleitet, geht ein  Stück des Weges mit und hilft den Blick zu weiten.“  Tesch dankte dem Beraterteam in Altenkirchen, das sich immer wieder auf neue Herausforderungen einlasse und in sehr professioneller Weise Menschen begleite.

Dass die Nachfrage nach professioneller Begleitung stetig wächst und in Altenkirchen hervorragend geleistet wird, unterstrich auch Klaus Peter Lohest, Abteilungsleiter im Landesministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen. Er skizzierte als „Sieben-Meilensteine“ die Entwicklung, der Beratungsarbeit über die vergangenen Jahrzehnte und nahm auch die damit verbundene gesetzliche Vorgaben in den Blick, auf die man auch in Altenkirchen stets mit einem „multiprofessionellen und niedrigschwelligen Angebot“ reagiert  habe.

„Ihre gute Arbeit wird weiter gebraucht und wir unterstützen sie dabei“, hob Konrad Schwan, als Vertreter des Landkreises und der hiesigen Bürgermeister hervor. „Menschen an der Seite zu stehen, sie begleiten, nahe zu sein, ihnen zu helfen und Mut zu machen ist christlicher Auftrag und praktizierte Nächstenliebe“ stellten die hiesigen katholischen Vertreter, Pfarrer  Rudolf Reuschenbach (Bistum Trier) und Pfarrer Bruno Neben (Bistum Köln) heraus. Sie ermunterten die kreiskirchliche Beratungsstelle weiterhin  „ Ohren und  Herzen“ offen zu halten.

 

Pfarrer Raimund Brückner (Evangelische Kirchengemeinde Altenkirchen) nutzte seine Dankesworte, um den Mitarbeitenden, die viel „Belastendes mittragen“, einen erbaulichen Perspektivwechsel zu ermöglichen. Er hatte als Geschenk einen Panoramakalender dabei, der den „Blick nach oben“ frei mache.

 

Edwin Jabs, erinnerte auch an die „Freude in der Beratung“

 

„Beratung ist ein kreativer Prozess, ist Kunst“ schlug Edwin Jabs, Pfarrer und Diplompsychologe Edwin Jabs, Leiter der Evangelischen Hauptstelle für Familien- und Lebensberatung einen Bogen über seine „Geburtstagsgeschenke“ hin zur „Freude in der Beratung“. Er hatte kreativ gestaltete Süßigkeiten mitgebracht und wünschte dem Altenkirchener Beraterteam, dass sie „weiterhin ‚Wachturm’ der gesellschaftlichen Veränderungsprozesse sein sollten, ein ‚Schutzturm’ für die Menschen und ein ‚Leuchtturm’ einer menschlichen Kirche“.

Die Beratungsstelle in Altenkirchen – so der landeskirchliche Vertreter – arbeite stets  nahe bei den Menschen, was auch eine „Zufriedensheitsauswertung“ eindeutig belege. Hier liege Altenkirchen in der Landeskirche weit vorne. Man habe „für Kinder ein besonderes Herz“, gehöre zum ‚Immunsystem der Stadt’, sei „Seismograph“  der gesellschaftlichen Entwicklung und praktiziere exzellente Teamarbeit.

Jabs wollte in seiner Ansprache einen bewussten Gegenpunkt zu manch deprimierenden gesellschaftlichen Analyse setzen und hob bei der „Freude in der Beratungsarbeit“ u.a. hervor, dass das Wirken in Altenkirchen helfe, „dass Menschen wieder Zugang zu ihren eigenen Kraftquellen finden“.

Für ihn – so Jabs- sei es auch eine Freude gewesen zu erleben, mit viel Freude das Team in Altenkirchen ans Werk gehe, wie viel man in Aus-, Fort- und Weiterbildung investiere und wie groß auch die Unterstützung, etwa seitens des Kirchenkreises und der Partner, sei.

 

Wolfgang Fanter, selbst schon 33 der 40 Jahre in der kreiskirchlichen Beratungsstelle dabei, und als Leiter der Einrichtung eine „prägende Gestalt“ war einen „Blick zurück, um frei zu werden für die Zukunft“. Er erinnerte an den Beginn der Beratungsarbeit, die – nicht nur räumlich – nach den „Anfängen an der Peripherie“ massiv ins „Zentrum rückte“. Gerade in Fragen der Erziehungsbegleitung hätten sich zwar die Themen gewandelt (vom ‚Holzgewehr’ zum ‚Cybermobbing’), aber die Herausforderungen, etwa nach „Konsequenz in der Erziehung“ seien gleich geblieben.

Die Belastungen der Familien seien hingegen gestiegen – immer mehr „Multi-Problem-Familien“ forderten heraus -, ebenso, dass zunehmende „Erziehungsverweigerung“ von Eltern den Kindertagesstätten und Schulen riesige Aufgabenlasten zuschiebe.

Die Beratungsarbeit der Zukunft sei nur in Netzwerken zu leisten, hob Wolfgang Fanter hervor und dankte allen, die das Fundament der hiesigen Netzwerkarbeit bilden, den ehemaligen und aktiven Teammitgliedern und insbesondere auch dem Kirchenkreis, der für seine Einrichtung „stehe“.

Mit Jazzigem von „Chick“ Corea, lateinamerikanischem „Feeling“ und Leckerbissen aus Musicals von Andrew Lloyd Webber setzte Kreiskantor Alexander Kuhlo zur Freude der Gäste beim „Geburtstagfest“ auf besondere musikalische Akzente. PES.