450 Jahre Reformation

Reformation vor 450 Jahren prägte unseren Kirchenkreis

Ende 1561 war die evangelische Konfession in der gesamten Grafschaft eingeführt

Auf ein besonderes Ereignis können die Evangelischen Kirchengemeinden im Kreis Altenkirchen in diesem Jahr zurückblicken: Vor 450 Jahren wurde im hiesigen Raum die Reformation eingeführt.
Ulrich Meyer (Daaden) hat die geschichtsträchtige Entwicklung zusammengestellt. Wir danken ihm, dass wir sein Zusammenfassung (erschienen in der Altenkirchener Lokalausgabe der Siegener Zeitung) veröffentlichen dürfen.

Zu jener Zeit teilten sich zwei Grafen die Herrschaft im Hause Sayn: Sebastian II. und sein Neffe Adolf. Im Jahr 1560 begannen sie mit Reformen in ihrer Grafschaft, die den Übertritt zur Lehre Martin Luthers einschloss. Dabei handelten die beiden Grafen im Verantwortungsbewusstsein für das „von Gott tragende Amt“. Sie sahen den Verfall der Werte, die Missachtung der göttlichen Gebote und die Unzulänglichkeit der bisherigen Regierungsformen. In der Nachbarschaft hatte sich bereits einige Gebiete der neuen Lehre angeschlossen, und diese hatte auch auf dem Westerwald und an der Sieg bereits viele Anhänger gefunden. So konnten die Sayner Grafen auf die Zustimmung von weiten Teilen der Bevölkerung hoffen, wenn sie den rechtlich alleine von ihnen abhängigen Anschluss an die Augsburger Konfession vollzogen. Ende des Jahres 1561 war die evangelische Konfession in der gesamten Grafschaft eingeführt. In Daaden bekannte sich der hier wirkende Priester Schwender zur evangelischen Lehre und blieb daher im Amt.

Kirchentür in Wittenberg

Foto: Hans-Jörg Ott

Sayner Landsherren führen Kirchenrecht ein

Das von den Sayner Landesherren ein Jahr später eingeführte Kirchenrecht war zwar klar durch Luthers Reformation bestimmt, folgte aber in der Gottesdienstordnung nicht Luthers Deutscher Messe. Der Gottesdienst, der jeden Sonntag mit Abendmahl gefeiert werden sollte, war schlicht und ausschließlich in deutscher Sprache zu halten. Auch das Amt des Superintendenten sah die Kirchenordnung bereits vor. Größere Schwierigkeiten bereitete die Erhaltung der Kirchengüter für die neuen kirchlichen Ordnungen. Die Grafen ließen alle Güter, die größtenteils verpachtet waren, inventarisieren, da sie jetzt von der Kirche auf den Landesherrn übergingen und zum Unterhalt der Pfarrer und Schullehrer zur Verfügung stehen mussten. 1569 führte Graf Sebastian die allgemeine Kirchenvisitation ein, die von 1579 an jährlich erfolgte.

Superintendent übte Diszplinargewalt aus

Aus einem aufgrund der ersten Visitation erlassenen gräflichen Mandat ist zu entnehmen, dass nunmehr endlich die unsittlichen Verhältnisse abgeschafft werden sollten und das „unnatürliche schändliche und unchristliche Vollsaufen“ bei Leibesstrafe ebenso verboten wurde wie „Völlerei, Nachttänze und Blutschande der Untertanen“. Klage geführt wurde zudem über die mangelhafte Ausbildung und die teils unwürdige Lebensführung der früheren katholischen Pfarrer. Hier sollte durch eine Fortbildung durch den Superintendenten Abhilfe geschafft werden. Eine weitere Kirchenordnung aus dem Jahr 1574, erlassen von Graf Hermann als Nachfolger seines verstorbenen Bruders Adolf, ergänzte die bestehende zu drei Fragenkomplexen. Zunächst ging es um die Aufgaben, Pflichten und Stellung der Pfarrer. Sie sollten Gottes Wort „mit Ernst, Eifer und Fleiß treiben“. Die Aufsicht und die Disziplinargewalt übte der Superintendent aus. Ein zweiter Abschnitt befasste sich mit den zerstörerischen Kräften in den Gemeinden. Genannt werden der Aberglaube in jedweder Form, „heidnische Leichtfertigkeiten zu Fastnacht, Walpurgis, Pfingsten und Johannistag“ sowie Kirmesfeiern, wenn sie nicht mit einem Jahrmarkt verbunden sind. Kritisch gesehen wurde auch die Lehre der so genannten Wiedertäufer. Ein strenges Urteil erfuhren solche, die „als Gotteslästerer und Vollsäufer in viehischer Unnatur Gottes Zorn über eine Gemeinde heraufbeschwören“. Ihnen drohten der Ausschluss vom Abendmahl und Patenamt sowie die Verweigerung eines christlichen Begräbnisses.

Absage an wilde Ehen

Der letzte und umfangreichste Fragenkomplex beschäftigte sich mit der Ehe. Es erfolgte eine deutliche Absage an die wilden Ehen, bei denen oft Kindtaufen und Hochzeiten zugleich erbeten wurden. Ehebrecher sollten, unbeschadet der Kirchendisziplin, in Haft genommen werden. Für die geistliche Aufsicht über die Gemeinden wurde ein Konsistorium gebildet, bestehend aus zwei weltlichen Räten, zwei Pfarrern und dem Superintendenten. Dieses Gremium sollte anfänglich sechsmal und später viermal jährlich tagen. Am 6./7.8.1582 beschloss das Konsistorium in Altenkirchen die Abschaffung aller Heiligenbilder in den Kirchen und setzte zwei Kommissionen ein: die eine sollte einen Liedplan für das gesamte Kirchenjahr für alle Gemeinden erstellen und die andere einen Vorschlag erarbeiten, wie „mans mit den heiligen Sakramenten, mit Zeremonien und dergleichen in allen Kirchen einträchtig durchaus halten solle, Gottes Wort und der uralten Kirche gemäß“. Zudem beschloss ein Konvent, der im Januar 1582 in Hachenburg tagte, dass alle Geistlichen hinfort verheiratet sein mussten, dass statt des Messgewandes jetzt der Chorrock zu tragen und das Abendmahl einmal im Monat zu feiern sei.

Katechismusunterricht für das junge Volk

Zwischenzeitlich hatte Graf Heinrich IV. in beiden Sayner Landesteilen die Nachfolge sowohl von Sebastian II. (gestorben 1573) als auch von Hermann (gestorben 1588) angetreten. Mit einer umfangreichen Kirchenordnung vom 22. Dezember 1589 festigte er das lutherische Bekenntnis. Die Ordnung wurde 1590 von Johann Spies in Frankfurt am Main als 230 Seiten starkes Buch gedruckt, das Kirchenordnung und Agende zugleich umfasste, was zu einer wesentlichen Vereinfachung führte. Zudem fand die von Heinrich ausgearbeitete Ordnung, da sie in gedruckter Form vorlag, eine weite Verbreitung und führte dadurch zu einer einheitlichen Handhabung in der saynischen Kirche. In 24 Kapiteln regelte die neue Ordnung das kirchliche Leben. Kapitel 1 bestimmte, dass die Pfarrer „dem Volk vortragen, das die christliche Lehre sich allein gründet auf die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments“. Als Bekenntnisschriften werden genannt das Augsburgische Bekenntnis, die Schmalkaldischen Artikel und Luthers Katechismen. Jeden Sonntagnachmittag hatte ein Katechismusunterricht für „das junge Volk“ stattzufinden. Gesungen wurde in der Kirche nur in Deutsch; das Abendmahl wurde in beiderlei Gestalt gereicht, und zwar so oft es die Gläubigen begehrten. Bei jeder Pfarrkirche sollte eine Schule eingerichtet werden, in der die Jugend lesen, schreiben, deklinieren und konjugieren lernte. Als Lehrer fungierten auch die Glöckner, wenn andere Schulmeister nicht vorhanden waren. Erwähnenswert sind die vielen Feiertage, die gefeiert wurden. Insgesamt waren es 22, darunter 10 Apostelgedenktage. Die drei Hauptfesttage Weihnachten, Ostern und Pfingsten wurden dreitägig, aber dafür sieben Feiertage nur vormittags begangen. Die von Graf Heinrich verfasste Kirchenordnung war über 200 Jahre Grundlage der lutherischen Kirche in der Grafschaft Sayn. Der in ihr festgelegte Bekenntnisstand ist der gleiche, den die Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung von 1835 und die Rheinische Kirchenordnung von 1952 für die Gemeinden lutherischen Bekenntnisses übernahmen. Dieser Einfluss der kleinen Sayner Kirche auf die westdeutsche lutherische Kirchengemeinschaft ist das bleibende Verdienst Graf Heinrich IV.