Rückblicke:

Gedenken rund um den 9. November

„Es ist so unendlich schwer, einem filigranen Lebensgeflecht nachzusinnen. Und: Es ist so brutal einfach, es zu zerstören!“ Schulreferent Martin Autschbach schmerzt diese Erfahrung, „die mich immer wieder in der Erinnerungsarbeit einholt!“ Sein Gang mit den Kollegen unseres Pfarrkonvents durch die Altenkirchener Innenstadt, wo seit einigen Monaten 18 Stolpersteine mahnend an jüdische Menschen erinnern, die einst in der Kreisstadt lebten und dann verfolgt, vertrieben und getötet wurden, „macht deutlich, wie wichtig es ist, an die Opfer namentlich zu erinnern, ihre Schicksale „laufend“ im Blick zu halten und auch der nachwachsenden Generation die Lehren aus der Geschichte nahe zu bringen!“

Neben dem Pfarrkonvent greifen zwei weitere Veranstaltungen des Schulreferates der Evangelischen Kirchenkreise Altenkirchen und Wied rund um den 9. November, dem Holocaust-Gedenktag, auf unterschiedliche Weise die wichtige Erinnerungsarbeit auf.

Gedenkveranstaltung „Stolpersteine schaffen Erinnerungen“

Am Dienstag, 9. November, 17 Uhr, kommen – wie seit Jahrzehnten in Altenkirchen, Menschen zu einer Mahnwache am Platz der ehemaligen Synagoge in der Frankfurter Straße zusammen. Im Anschluss (17:30 Uhr) gibt es für alle Interessierten eine Gedenkveranstaltung „Stolpersteine schaffen Erinnerungen“. Mitwirkende bei diesem Gedenken in der Christuskirche sind auch Schüler und Lehrkräfte der FOS der August-Sander-Schule und Schüler der Klassenstufe 7 von deren Realschule Plus. Mit unterschiedlichen Stilmitteln wollen die jungen Menschen den Opfern des nationalsozialistischen Terrors ein Gesicht geben. So soll deren Lebenswege in Altenkirchen vorgestellt, die Geschehnisse der Pogromnacht 1938 anhand der historischen Quellen lebendig und den Schicksalen nach der Vertreibung nachgespürt werden.

80 Stolpersteine bis 2023

Bislang sind 18 Stolpersteine in Altenkirchen verlegt, im Februar 2022 sollen weitere folgen. Rund 80 werden es 2023 schlussendlich sein, schätzt Schulreferent Martin Autschbach (Bild). Sie sind über Spenden finanziert.

Viele engagierte Menschen haben über die Jahre sehr viel Recherchearbeit in und rund um Altenkirchen geleistet. Wie Puzzlesteine kommen immer weitere Ergebnisse beieinander. Auch Pfarrer Martin Autschbach hat schon seit Jahrzehnten gesammelt, recherchiert und ist froh, dass er in früheren Jahren noch Zeitzeugen befragen und deren Erzählungen sichern konnte.
Aus all diesen Recherchen sind nun schon viele ‚greifbare Bilder‘ der Opfer zusammengekommen.

Es folgen Informationen per QR-Code

Den Stolpersteinen, die aktuell schon in der Markstraße, zum Weyerdamm und in der Rathausstraße verlegt wurden, werden weitere folgen. Dazu soll es auch jeweils entsprechende QR-Code-Tafeln geben, die intensiver darstellen können, was auf den 10×10 cm-Bronzesteinen nicht erwähnt werden kann. Erinnerungsarbeit über den Tag hinaus!

Ausstellung bis 12. November zu Geschwistern Seligmann

Solche Erinnerungsarbeit für Generationen haben das Schul- und Jugendreferat des Evangelischen Kirchenkreises gemeinsam mit Schülern und anderen jungen Menschen schon seit vielen Jahren intensiv betrieben. Entstanden ist dabei u.a. eine Ausstellung zur Lebensgeschichte des Geschwisterpaares Ruth und Artur Seligmann. Unter dem Titel „Ihr seid die Schande unserer Schule“ – angelehnt an den Ausspruch eins Nazi-Lehrers in 1935 – werden vom Montag, 8. bis Freitag, 12. November, in der Aula der August-Sander-Realschule in Altenkirchen die Ausstellungstafeln zu sehen sein. (siehe dazu auch nachfolgende Informationen!)
Ab dem 9. November (am 8. November ist die Eröffnung der Ausstellung mit Impulsvortrag zum pädagogischen Konzept) können Schulklassen, Konfirmanden-, Jugendgruppen, aber auch andere Geschichtsinteressierte und Einzelpersonen die Ausstellung besuchen.

Anmeldungen dazu und weitere Informationen zur Ausstellung (es gibt auch Begleitfilme, Ausstellungskataloge etc.) müssen – auch wegen der Corona-Prävention – im Schulreferat des Kirchenkreises (Stadthallenweg 16 in Altenkirchen, 02681/800827 erfolgen.

Pfarrkonvent auch im „Historischen Quartier“

Dankbar ist Schulpfarrer Martin Autschbach, dass das „Historische Quartier“ in Altenkirchen sich um die Organisation und Patenschaften der Stolpersteine kümmert. Beim Pfarrkonvent im Gedenkmonat November führte er die Gruppe aus dem Kirchenkreis deshalb auch in die Räumlichkeiten des Historischen Quartiers. Hier gab es intensive Einblicke in die Heimatgeschichte. Details zu den Schicksalen der jüdischen Menschen, die einst in Altenkirchen lebten und von denen viele ihr Leben in den Vernichtungslagern verloren.

Der ehemalige Jugendreferent des Kirchenkreises, Horst Pitsch (Foto), der sich im Ruhestand dort in der Geschichts-Arbeit engagiert, zeigte die vielen Bilder aus der städtischen Vergangenheit. Von der 1938 zerstörten Altenkirchener Synagoge ist allerdings nur ein Glas-Relief übriggeblieben, das nun in einer Vitrine lagert.

Altenkirchen hat nun viele Gedenkorte

„Es ist gut, dass wir mit den jetzigen und künftigen Stolpersteinen weitere Gedenkorte an ehemalige jüdische Mitbürger und Menschen mit jüdischer Vergangenheit haben!“ Martin Autschbach verwies bei einem Stadtrundgang/Foto auf die anderen Mahnmale und Gedenkorte in Kreisstadt, wie den jüdischen Friedhof in der Kumpstraße, das Theodor-Maas Haus und der Grabstelle der Familie Maas auf dem Waldfriedhof, an die Gedenktafel und die sieben Kreuze am Synagogenplatz in der Frankfurter Straße, das Synagogenmodell im Rathaus oder die Gedenktafeln ermordeter jüdischer Mitbürger am „Dorn“.

 

 Fotos: Petra Stroh/11/21

 

 

 

 Lebendige Regionalgeschichte im Landschaftsmuseum Westerwald
PfarrerInnen – LehrerInnen – Konvent traf sich in Hachenburg

Im Landschaftsmuseum Westerwald in Hachenburg ist seit über 40 Jahren unsere Regionalgeschichte „begehbar“.

Der Besuch im Museumsdorf wirkt wie eine Zeitreise in die Vergangenheit. Gerade Kinder und Jugendliche, Konfirmandinnen und Schüler können hier nacherleben, was ihnen die (Ur-) Großeltern immer wieder erzählt haben: Eine Dorfschule, eine Ölmühle, das Westerwälder Kleinhaus, Scheune, Bauern- und Gewürzgarten und das Mühlenwohnhaus laden (u.a.) zum entdeckenden Lernen ein. 

Im Rahmen des PfarrerInnen-LehrerInnen-KonveIm Museumnts gab es eine historisch orientierte Museumsführung und Informationen zu museumspädagogischen Angebote aus dem Mitmach- und Aktivprogramm für ganz unterschiedliche Zielgruppen in Gemeinde und Schule. Gezeigt wurden u.a. „Schule früher“, „Ernte früher“, „Typische Berufe früher“ oder „Kochen und Backen damals“. Dr. Moritz Jungbluth und sein Team hatten auch rund um das Thema „die Bohnenernte“ etwas Besonderes vorbereitet.

 

 

 

Führung durchs Museumsareal durch Dr. Moritz Jungbluth (rechts). Alle Fotos: Stroh

 

 

 

 

 

 

Bohnenstangen

Aktiv im Rahmen des neuen Museumsprojekts „Bohnenernte“

Alte Schule

In der alten Schule gab es allerlei Informationen zu „Schule früher“ und ein Wiedersehen mit „Martin Luther“, alten Wandkarten, Einblicke in Sütterlin und „Tintengeschichten“.

 

 

 

 

 

 

 

Kirchliches Angebot für SchulassistentInnen der Region

Fachtag in Altenkirchen mit riesiger Resonanz

 

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Volles Haus beim ersten überregionalen „Fachtag für Schulbegleiter“ in der Evangelischen Landjugendakademie in Altenkirchen. Statt der erwarteten 25 Teilnehmer kamen 80 interessierte „SchulassistentInnen“. Foto: Petra Stroh

 

„Schulassistenten“ gehören mittlerweile fest zum Schulalltag. Deutlich wird dies auch in Zahlen: 30 mal mehr Schulassistentinnen gibt es als zu Beginn der Jahrtausends. Ohne diese Begleiter ist in den heimischen Schwerpunktschulen derzeit und auch künftig nicht möglich „Inklusion“ zu praktizieren.
Schulassistentinnen bieten den begleiteten Schülern Orientierung, Struktur und Schutz im Alltag. Sie fördern soziales Lernen, intervenieren in Krisen und fungieren als Bindeglied im pädagogischen Team.
Wie kommen sie mit ihren Aufgaben klar? Wie passt ihre Rolle in den Schulalltag? Wo ist Hilfe-Bedarf nötig? Wie läuft der Einsatz an den verschiedenen Orten?

Vielerlei Fragestellungen, die offenbar bewegen. Denn die Organisatoren eines ersten überregionalen „Fachtags für Schulbegleiter“ (Anke Kreutz, Direktorin der Landjugendakademie Altenkirchen, Christof Weller, pädagogischer Leiter des HIBA und Pfarrer Martin Autschbach, Schulreferent der Evangelischen Kirchenkreise Wied und Altenkirchen)  hatten dazu mit  25 Schulbegleitern gerechnet, es kamen aber 80 interessierte Schulassistenten aus den Regionen Altenkirchen, Neuwied und Westerwald in die Landjugendakademie nach Altenkirchen

Schwerpunkt  des Fachtags war u.a. ein Impulsreferat von Dr. Rainer Müller vom Comenius-Institut in Münster, das auch das ungewöhnliche Tätigkeitsfeld der Zielgruppe thematisierte. Müller unterstrich, dass die Schulassistenten an den Schnittstellen (gelegentlich auch an den „Verwerfungslinien“) der Inklusion arbeiten. „Sie begleiten ein Kind oder einen Jugendlichen mit Förderbedarf im Schulalltag. Dabei stehen sie oft wie Dolmetscher zwischen dem Bezugsschülern und einer Lehrkraft, die nur im Idealfall eine förderpädagogische Qualifikation hat“.
Dr. Rainer Müller hob hervor, dass die Schulassistenten oft vermittelnd zwischen den für inklusives Lernen mehr oder weniger geeigneten Unterrichtsmaterialien und einem Jugendlichen stehen und ihm wie aus einer Fremdsprache die Inhalte übersetzen müssten.
Die Zahl der Schnittstellen sei aber damit kaum erfasst.  Eltern, Therapeuten, das Kollegium einer Schule und der außerschulische Arbeitgeber gehören ebenso in das Netzwerk, das Schulassistenten zugunsten der Schülers täglich knüpfen müssen.
Dr. Rainer Möller führte auch in die besondere Problematik dieses neuen Berufsfeldes ein: „Die Schulbegleitung ist eine Einzelfallmaßnahme, die vom Jugendamt oder Sozialamt nach individueller Prüfung als fallbezogene Ressource genehmigt wird. Das begleitete Kind wird herausgehoben, als förderungsbedürftig etikettiert und damit in der Regelschule zum „Inklusionskind“, was dem Anspruch der Inklusion nach dem Motto „Es ist normal verschieden zu sein“ im Grunde widerspricht.
„Aber Inklusion ist ein spannungsvoller Prozess, der der sich gerade erst im Aufbau befindet. Die Einrichtung der Schulassistenz muss in diesem Rahmen bewertet werden“, forderte er ein.

Leider erfolge diese wertvolle Aufgabe, so der Referent, in einer überaus labilen Beschäftigungs- und Bedingungslage. Viele Schulassistenten  erfüllten ihre wichtige Tätigkeit in einem sehr unsicheren, mitunter prekären Arbeitsverhältnis. Wird die Begleitung im kommenden Schuljahr weiterbewilligt? Was passiert bei einer längeren Erkrankung des begleiteten Jugendlichen? Wechselt „mein“ Bezugskind obwohl dies zurzeit kaum sinnvoll ist? – Elementare Fragen, die zusätzlich belasteten.

Die Chancen und Probleme der Zusammenarbeit mit den Schulen waren u.a. Thema von fünf parallelen Arbeitsgruppen des Fachtages. Deutlich wurde hier wie unterschiedlich die Standards  sind. Die Lage vor Ort reicht nach Aussage der Schulassistenten von „hervorragend“ bis „katastrophal“.
In den Regionen Altenkirchen, Neuwied und Westerwald gibt es Schulen, in denen wöchentlich Förderpläne fortgeschrieben werden und regelmäßig ein runder Tisch aller Beteiligten (Klassenlehrer, Förderschulkollegen, Fachlehrer, Schulbegleiter und Eltern) zugunsten des unterstützten Kindes oder Jugendlichen stattfindet.
In anderen Schulen hingegen haben die Schulassistenten  „noch nicht einmal einen Schlüssel für die Lehrertoiletten“ und müssen immer wieder mit „ihren“ Zielschülern auf einem Flur arbeiten.
Völlig unterschiedlich sind auch die mitgebrachten Qualifikationen. Als Schulassistenten sind Erzieherinnen, Sozialarbeiter, Heilerzieher, aber auch erfahrene Mütter tätig.
Zukunftsweisend  – so der Tenor des Austauschs – wären Module einer regelmäßigen Fort- und Weiterbildung, eine feste Berufsbezeichnung und ein sicherer beruflicher Status.
Damit diese Utopie konkreter wird, wollen die Veranstalter die Ergebnisse des Fachtages an die außerschulischen Arbeitgeber, die zuständigen Verwaltungen und Kostenträger, die ADD und an die Schwerpunktschulen weitergeben.
Die Schulassistenten gaben sehr positive Rückmeldungen zur sorgfältigen Vorbereitung und dichten Arbeitsatmosphäre der Veranstaltung: „Wir fühlen uns in der Tat manchmal als ‚Aschenputtel der Inklusion‘. Es tut sehr gut, dass kirchliche Bildungsträger dies wahrnehmen und uns heute erstmals ein gemeinsames Forum gegeben haben“, unterstrichen sie gegenüber den Veranstaltern.

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Dr. Rainer Müller vom Comenius-Institut in Münster führte in ein umfangreiches Thema ein. Foto: Birgit Pritzer.